Umfeld

TH Nürnberg, Journalismus

20 Bachelor-Studierende (2tes Semester)

Durchführung: 1-mal, 6 CP & 6 SWS

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Das Angebot zum forschenden Lernen fand im Sommersemester 2018 an der TH Nürnberg im Rahmen des Seminars Digitaler Journalismus statt. Es umfasste sechs Semesterwochenstunden und richtete sich an rund 20 Bachelorstudierende des zweiten Semesters. Die Prüfungsleistung war eine aktive Teilnahme, die nicht benotet wurde. Durch das Förderprogramm Lehrforschung – forschendes Lernen der TH Nürnberg hatte ich die Möglichkeit, dieses Pflichtmodul mit dem Lehrformat des forschenden Lernens zu verknüpfen und den Studierenden so gleich zu Beginn ihres Studiums Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens zu vermitteln. Hilfreich war dabei, dass die Studierenden im zweiten Semester auch die Veranstaltung zur Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten besuchten, so dass sich die Seminarinhalte gut verknüpfen ließen und ich einige grundlegende Themen oder methodische Vorgehensweisen in meinem Seminar nicht mehr thematisieren musste. Inhaltlich beschäftigte sich die Veranstaltung mit der Konzeption von Chatbots und der Erstellung erster Dialoge.

Umfeld

Grund

Defizit bzw. ein Konflikt

Persönliches professionelles Anliegen

Impuls aus meinem Umfeld

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Mehrere Gründe haben mich dazu bewogen, forschendes Lernen in dieser Veranstaltung umzusetzen. Ein formaler Grund ist das Förderprogramm der TH Nürnberg: Durch dieses erhalten Lehrende, die forschendes Lernen bei Bachelorstudierenden voranbringen wollen, eine finanzielle Entlastung, die hilft, den damit verbundenen Arbeitsaufwand zu reduzieren. Ein viel wichtigerer Grund ist für mich jedoch mein persönliches Interesse an neuen Lehrformaten, die weg von der klassischen Vorlesung gehen und dafür sorgen, dass sich die Studierenden tiefer und nachhaltiger mit Themen auseinandersetzen. Forschendes Lernen bietet eine großartige Möglichkeit, Praxis und Theorie frühzeitig im Studium zu verknüpfen und Studierende bereits in der Studieneingangsphase zu einer forschenden Haltung anzuregen. Darüber hinaus kann ich mich als Lehrender auf diese Weise mit interessanten Themen beschäftigen und Neues lernen – forschendes Lernen macht somit auch mir großen Spaß.

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang & in eine Veranstaltung eingebettet

Curricular verankert & verpflichtend

Forschungsprozess: systematisch angeleitet

Feedback: Peers, Lehrende, externe Personen

Forschungsergebnisse: öffentlich

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Der Aufbau des Seminars lässt sich in drei Phasen skizzieren, die in der Realität natürlich fließend ineinander übergehen und sich nicht so klar voneinander abgrenzen lassen.

In der ersten Phase erhielten die Studierenden einen Einblick in die theoretischen und methodischen Grundlagen des Seminars. Der Fokus lag dabei auf der Analyse bestehender Chatbots. Hierbei wurde zum einen der aktuelle Stand der Wissenschaft zu Chatbots aus technischer und psychologischer Perspektive betrachtet. Andererseits wurden in dieser Phase auch die Grundlagen der Kreativmethode Design Thinking erläutert. In diesem Zusammenhang entstanden folgende Forschungsfragen: Was sind die Vorteile der Anwendung von Design Thinking bei der Entwicklung von Chatbots? Wie wirken sich agile Innovationsmethoden auf die Akzeptanz bei Usern aus? Was führt zu einem von Nutzern akzeptierten Chatbot? Wie spezifisch bzw. allgemein müssen Usecases für Chatbots sein?

In der zweiten Phase ging es dann um die eigentliche Forschungsarbeit: Die Studierenden teilten sich in Vierergruppen auf, wobei ich sie beim aktiven Teambuilding unterstützte. Anschließend begaben sich die Studierenden in einen Design-Thinking-Prozess, konzipierten auf Basis der theoretischen Grundlagen Chatbots und simulierten Dialoge. So entstand beispielsweise der Chatbot Schorsch, der Studieninteressierten an der TH Nürnberg bei der Suche nach passenden Studiengängen helfen könnte. Eine Besonderheit in dieser Phase war die externe Unterstützung durch Vertreter:innen der Firma Virtual Identity, die den Studierenden mit Rat und Tat zur Seite standen und so einen Praxisbezug zum Thema Chatbots herstellten.

Die dritte Phase beinhaltete dann die Verknüpfung von Theorie und Praxis: Die Studierenden präsentierten in ihren Gruppen die Forschungsergebnisse und diskutierten, inwiefern ihre eigenen Erfahrungen mit dem aktuellen Forschungsstand übereinstimmten oder diesem widersprachen.

Aufgrund des Design-Thinking-Ansatzes und der Tatsache, dass sich die Studierenden erst im zweiten Semester befanden, wurde die Forschung während des gesamten Prozesses immer wieder gemeinsam reflektiert und die einzelnen Gruppen erhielten sowohl von ihren Kommiliton:innen, den externen Praxispartner:innen und mir Feedback.

Umfeld

Spannungen

Fachlicher und überfachlicher Kompetenzentwicklung

Arbeitsvolumen und verfügbaren Ressourcen bei Lehrenden

Veränderte Lehrenden-Rolle und vorhandenen Lehrtradition

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Eine grundsätzliche Spannung des forschenden Lernens ist für mich, dass diese Art der Seminargestaltung für die Studierenden sehr lehrreich ist und mir sehr viel Spaß macht, aber auch unglaublich viele Ressourcen meinerseits verschlingt und einiges an Arbeit bedeutet. Zwar kann der Arbeitsaufwand an der einen oder anderen Stelle minimiert werden, z. B. durch die finanzielle Unterstützung der TH Nürnberg oder durch die Zusammenarbeit mit Praxispartner:innen, die man schon gut kennt und somit weniger Absprachen treffen muss, aber trotzdem ist forschendes Lernen immer mit viel Aufwand verbunden. Diese Spannung versuche ich einerseits aufzulösen, indem ich mir meist nur eine Lehrveranstaltung pro Semester heraussuche, um forschendes Lernen umzusetzen. Andererseits muss man aber auch akzeptieren, dass gute Lehre etwas mit Leidenschaft zu tun hat und dann auch mal mehr Zeit in Anspruch nehmen darf.

Auch bei den Studierenden gab es innerhalb der Kohorte Spannungen und Widersprüche. So waren einige Studierende von Anfang an begeistert und empfanden diese Art des Lernens als sehr fruchtbar, während andere überfordert waren, eine eigene forschende Haltung einzunehmen. Gerade weil die Studierenden noch im zweiten Semester waren, kann es vorkommen, dass manche den Studiengang oder das Seminar abbrechen. Das ist gerade bei Gruppenarbeiten und Themenfindungsprozessen eine blöde Ausgangssituation, wenn ein Teammitglied während der Forschung ausfällt. Um dieser Problematik vorzubeugen, legte ich im ersten Teil den Schwerpunkt auf die theoretische und methodische Auseinandersetzung und bildete erst nach einigen Wochen die Teams. So hatten die Studierenden zu Beginn des Seminars etwas mehr Zeit, sich zu entscheiden, ob sie das Seminar fortführen möchten, ohne dass sich dies negativ auf die Teams auswirkte.

Eine weitere Herausforderung ist ein Widerspruch innerhalb der Hochschule. Einerseits wird immer mehr gefordert, sich mit digitalen und aktuellen Themen (wie z. B. Chatbots) auseinanderzusetzen. Andererseits fehlt oft eine gute Infrastruktur an der Hochschule, die diese Forderungen erschwert. Beispielsweise hatten wir bei unseren Seminaren oft Probleme mit dem W-Lan an der Hochschule oder es fehlten Steckdosen, sodass die Studierenden nicht gut an ihren Projekten arbeiten konnten. Das sind natürlich im Verhältnis kleine Probleme, aber sie stören bei der Arbeit und nehmen Raum und Zeit in Anspruch, die besser für die inhaltliche Auseinandersetzung genutzt werden sollten.

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben von forschender Neugier

Umgang mit Fehlern und Misserfolg

Erwerb von methodischen Kenntnissen

Zusammenarbeit mit externen Projektpartner:innen

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Eine von mir intendierte Wirkung war, dass die Studierenden durch das Format schon früh im Studium forschend tätig wurden. Dabei ging es mir vor allem darum, dass sie den Forschungsprozess eigenständig erleben, Kritikfähigkeit entwickeln und verstehen, dass auch Scheitern und Neubeginn elementar für das eigene Forschen sind. Gerade die letzten beiden Punkte sind oft mit Frustration und Enttäuschung verbunden. Um dem entgegenzuwirken, gab es in diesem Seminar für das Lehrforschungsprojekt keine Benotung. Dies half den Studierenden, Feedback anders anzunehmen und sich auf die inhaltlichen Aspekte des Forschungsprojekts zu konzentrieren.

Zudem hatte die Veranstaltung einige unerwartete Effekte. So führte die von mir begleitete Gruppenbildung dazu, dass sich die Studierenden noch einmal ganz anders mischten und vernetzten. Das war zwar meine Hoffnung, aber dass die Gruppenmitglieder so harmonisch miteinander agieren und über das Seminar hinaus in Kontakt blieben, hätte ich nicht gedacht. Das Seminar hatte aber auch Auswirkungen auf mich als Lehrender. So entstanden neue Kontakte zu Lehrenden anderer Fakultäten, die sich ebenfalls für das Thema Chatbots interessieren, was zu einem perspektivenreichen Austausch führte. Darüber hinaus war das Seminar auch eine Inspiration für meine Forschung, die mich zur Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Artikels über das Seminar veranlasste.

Weiterführende und vertiefende Betrachtungen zu diesem Themenkomplex, die in der Publikation Journalistische Praxis: Chatbots veröffentlicht wurden, können hier eingesehen werden.

Flaschenpost
  • Prof. Dr. Markus Kaiser
  • Technische Hochschule Nürnberg
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Angebot zum forschenden Lernen richtet sich an Studienanfänger:innen des Fachs Technikjournalismus/Technik-PR und eröffnet den Studierenden die Möglichkeit, über Chatbots zu forschen und die Methode des Design Thinking kennenzulernen.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Text/Textdokument
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Kaiser, Markus (2024). Chatbots und Design Thinking als Themen studentischer Forschung. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • Studieneingangsphase Bachelor (1.-2. Semester)
  • Digitaler Journalismus