Umfeld

HAW Hamburg, Wirtschaftswissenschaften, Marketing

 25 Bachelor-Studierende

Durchführung: mehr als 3-mal, 5 CP & 4 SWS

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Meine Lehrpraxis findet an der HAW Hamburg im Department Wirtschaft statt und richtet sich an Bachelorstudierende im sechsten Semester des Studiengangs Marketing und Technische BWL. Das Thema der Lehrveranstaltung ist die Customer Journey, in deren Mittelpunkt die Analyse der Kontaktpunkte steht, die Kunden während und nach dem Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung erleben. Meine Lehrveranstaltung zeichnet sich durch eine kleine Teilnehmer:innnenzahl von circa 25 Studierenden aus, die bereits viel Vorwissen im Bereich Marketing mitbringen. Die kleine Gruppengröße und die Erfahrung der Studierenden sind meiner Meinung nach besonders gute Voraussetzungen, um forschendes Lernen zu ermöglichen. Ein weiteres Merkmal meiner Lehrpraxis ist außerdem, dass ich Praxispartner:innen, also unterschiedliche Unternehmensvertreter:innen, in die Veranstaltung miteinbeziehe. Dadurch arbeiten die Studierenden an realen Beispielen, was meiner Meinung nach die Motivation meiner Studierenden stark erhöht, und ihnen zeigt, inwiefern das Studium konkret auf das spätere Berufsleben vorbereitet.

Umfeld

Grund

Defizit bzw. ein Konflikt

Persönliches professionelles Anliegen

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Der Hauptgrund, warum ich mich für das forschende Lernen als Lehrformat entschieden habe, war der grundsätzliche Wunsch, die Studierenden wirklich darauf vorzubereiten und zu befähigen, wissenschaftliche Methoden im Unternehmenskontext gezielt einzusetzen. Dabei spielte meine Unzufriedenheit mit der Gestaltung des vorherigen Lehrformats eine große Rolle. So störte mich, dass ich das Thema Customer Journey relativ theoretisch und abstrakt vermittelte und es der Lehrveranstaltung an Anwendung und Praxisbezug mangelte. Dies spiegelte sich auch in den Klausuren wider, die zeigten, dass die Studierenden zwar für die Prüfung gelernt hatten, aber das Thema nicht zu 100% verstanden und durchdrungen hatten. Da ich den Schwerpunkt auf selbständige und praktische Arbeit legen wollte, wählte ich das Lernformat des forschenden Lernens. Mit anderen Worten: Ich wollte weg vom theoretischen Lehren und Lernen hin zum selbständigen Machen, Ausprobieren und Forschen!

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang & in eine Veranstaltung eingebettet

Curricular verankert & optionales Angebot

Forschungsprozess: verpflichtend

Feedback: Peers, Lehrende & externe Personen

Forschungsergebnisse: intern

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Das Thema meines Lehrangebots ist die Customer Journey, die meine Studierenden in einem konkreten Unternehmenskontext erforschen. Da das Thema an sich und die Kooperation mit einem Unternehmen den Forschungskontext bereits stark eingrenzen, gibt es wenig Spielraum bei der Entwicklung der Fragestellung. Diese lautet daher im Wesentlichen – Wie sieht die Customer Journey für Produkt X/Persona Y aus -, die die Studierenden in Kleingruppen erforschen.

Das eigenständige Forschen beginnt für die Studierenden daher mit der selbstständigen Auseinandersetzung (z. B. durch vertiefende Literatur) mit der Customer Journey und der Methode der Customer Journey Mapping Games. Den Schwerpunkt des forschenden Lernens habe ich auf die Anwendung der Customer Journey Mapping Games gelegt, bei denen sich die Studierenden einerseits die theoretischen Grundlagen der Methode aneignen und diese andererseits selbst anwenden. Die Anwendung der Methode erlernen die Studierenden in zwei Schritten: Zunächst führen sie in Kleingruppen gecoachte Mapping Games an der Hochschule durch, wodurch die Studierenden die Methode kennenlernen und in einem geschützten Rahmen ausprobieren können. Dieser erste Schritt führt dazu, dass sich die Studierenden mit der Methode vertraut machen, mögliche Missverständnisse und Fehler frühzeitig erkennen und reflektieren. Auf dieser Basis gewinnen die Studierenden an Sicherheit, wenn sie im zweiten Schritt einen Forschungsplan erstellen und die Mapping Games in einem konkreten Unternehmenskontext eigenständig durchführen. Neben der forschenden Tätigkeit und der damit verbundenen selbstständigen Durchführung der Mapping Games ist die Präsentation der Ergebnisse und die Weitergabe von konkreten Handlungsempfehlungen an die Auftraggeber:innen zentral in meiner Lehrveranstaltung. So präsentieren die Studierenden ihre Ergebnisse sowohl in schriftlicher Form als auch durch eine mündliche Präsentation und erhalten Feedback zu ihrer Umsetzung von den Auftraggeber:innen, ihren Kommiliton:innen und mir. Vor allem durch die Kooperation mit den Unternehmen entstehen so Forschungsergebnisse mit Relevanz für Dritte. Dies motiviert die Studierenden sehr und zeigt ihnen, wie wissenschaftliche Forschung in konkrete Unternehmenskontexte einfließen kann.

Die Durchführung meiner Lehrveranstaltung zum Forschenden Lernen lässt sich somit in folgende Phasen gliedern:

  1. Akquise und Vorbesprechung mit Praxispartner:innen aus der Wirtschaft
  2. Besprechung der Fragestellung und des Forschungskontextes
  3. Erarbeitung der Grundlagen und Vertiefung der Customer Journey und der Mapping Games
  4. Durchführung von gecoachten Mapping Games an der Hochschule zur Übung der Methode
  5. Eigenständige Durchführung der Mapping Games im Unternehmenskontext
  6. Ausarbeitung und Präsentation der Forschungsergebnisse

Umfeld

Spannungen

Selbst- und Fremdorganisation

Individuellem und sozialem Lernen

Arbeitsvolumen und verfügbaren Ressourcen bei Lehrenden

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Ein grundsätzliches Spannungsverhältnis zeigt sich vor allem in der Arbeitsbelastung. So haben die Studierenden zwar großes Interesse an dem Seminar und sind auch bei der eigenständigen Forschung und Präsentation sehr engagiert, jedoch wird häufig der hohe Arbeitsaufwand in der Veranstaltung kritisiert. So müssen sich die Studierenden bereits während des Semesters sehr intensiv mit dem Thema und der Methode auseinandersetzen und sich vor allem im Hinblick auf die Mapping Games gut organisieren. Diese Art der Forschungs- und Projektarbeit unterscheidet sich damit stark von einem klassischen Veranstaltungsformat, bei dem am Ende eine Prüfung steht und die Studierenden während des Semesters eher eine geringere Arbeitsbelastung haben. Darüber hinaus hat die Praxiskooperation natürlich auch zur Folge, dass die Studierenden eine bessere Arbeit und Präsentation abliefern wollen, als dies vielleicht in einem klassischen Seminar der Fall wäre, was einerseits gut ist und das Engagement und die Leistung der Studierenden erhöht. Andererseits kann dies zur Folge haben, dass der Arbeitsdruck und die Arbeitsbelastung für die Studierenden höher sind als in einer klassischen Lehrveranstaltung.

Natürlich ist der Arbeitsaufwand auch in Bezug auf meine Lehrtätigkeit höher. Denn ich akquiriere im Vorfeld die Praxispartner:innen und es gibt natürlich viel Gesprächsbedarf. Aber der Arbeitsaufwand nimmt ab, je länger ich die Veranstaltung leite. Das liegt einerseits daran, dass ich nun weniger Zeit in die Akquise der Praxispartner:innen investieren muss, da diese mittlerweile auf mich zukommen, was mich in der Weiterführung dieses Seminars bestärkt. Auf der anderen Seite habe ich natürlich über die Semester hinweg viele Prozesse etabliert und auch verbessert, wodurch ich den Arbeitsaufwand reduzieren konnte. Grundsätzlich stört mich der höhere Arbeitsaufwand aber weniger, da ich sowohl von den Studierenden als auch von den Praxispartner:innen so viel positives Feedback bekomme, das den Mehraufwand aufwiegt.

Eine weitere interessante Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist, dass die Studierenden bei der Erforschung der Customer Journey zunächst viel Anleitung und Unterstützung benötigen. Dies wird z. B. durch die Durchführung von gecoachten Mappings als Vorbereitung auf die eigentliche Erforschung der Customer Journey im Unternehmenskontext zum Ausdruck gebracht. Der klare Rahmen und die Anleitung bilden somit die Grundlage für eine anschließende relativ freie und selbstständige Untersuchung der Forschungsfrage. Somit zeigt sich zumindest für mein Angebot des Forschenden Lernens, dass die widersprüchlichen Anforderungen des fremd- (durch mich) und selbstorganisierten Forschens (durch die Studierenden) in diesem Kontext gut zusammen gedacht werden können und zu einer erfolgreichen Umsetzung der Mapping Games führen.

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben von forschender Neugier

Erwerb von methodischen Kenntnissen

Erkennen von Zusammenhängen zwischen Studium und Beruf

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Eine Wirkung des Kurses ist die intensive Auseinandersetzung und Umsetzung der Studierenden mit eigenständiger qualitativer Forschung. Dies war zwar meine Intention bei der Konzeption des Seminars, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass die Studierenden das qualitative Forschen und die Methode der Mapping Games so gut verinnerlichen würden. Besonders beeindruckt hat mich, wie gut die Studierenden die Fokusgruppen moderiert haben und wie jedes Gruppenmitglied seine eigene Rolle gefunden und spezifische Aufgaben (wie z. B. die Moderation der Fokusgruppen, die Dokumentation der Forschungsinhalte oder die Präsentation der Ergebnisse) übernommen hat, ohne dass es zu größeren Diskussionen oder Problemen zwischen den Gruppenmitgliedern kam.

Eine weitere Wirkung zeigt sich bei den Praxispartner:innen. Diese gehen zunächst immer recht erwartungsneutral in diese Kooperation und sind dann am Ende sehr begeistert über die tiefgreifenden Ergebnisse und Handlungsempfehlungen, die die Studierenden herausarbeiten. Diese Reaktion führt dann dazu, dass die Studierenden eine Relevanz in ihrer Arbeit für die Praxis sehen, was sowohl ihre als auch meine Motivation für das Forschungsprojekt noch einmal steigert.

Flaschenpost
  • Prof. Dr. Heike Jochims
  • HAW Hamburg
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Angebot zum forschenden Lernen richtet sich an Marketing-Studierende und stellt die wissenschaftliche Erforschung und Darstellung von Customer Journeys sowie den Austausch mit praxisrelevanten Fragestellungen in den Mittelpunkt.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Jochims, Heike (2024). Customer Journey & forschendes Lernen. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • Wirtschaftswissenschaften, Marketing