Umfeld

Universität Hamburg

Hochschuldidaktik/Higher Education

Berufsbegleitende Studierende im Master Higher Education

Durchführung: mehr als 3 Mal

20 Credit Points

Anzahl der Studierenden: zwischen 12 und 20

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Wie das forschende Lernen im MHE von uns umgesetzt wird, hängt eng mit den besonderen Bedingungen des Masterstudiengangs zusammen; dieser führt Studierende forschungsorientiert in die Gebiete der Hochschul- und Mediendidaktik sowie der Lehr-Lernforschung, Medienbildungsforschung, Hochschulforschung und Wissenschaftsforschung ein:
(a) Der MHE wird komplett online und berufsbegleitend von Personen studiert, die (von wenigen Ausnahmen abgesehen) selbst bereits akademisch lehren oder Hochschullehre professionell begleiten und daher auch schon ein abgeschlossenes Studium (von mindestens 240 Credit Points) hinter sich haben.
(b) Die Studierenden kommen aus unterschiedlichen Disziplinen bzw. Fächern, nämlich aus den Geistes- und Sozialwissenschaften ebenso wie aus Natur- und Technikwissenschaften, Rechtswissenschaft, Medizin und so weiter. In der Folge bringen sie verschiedene Auffassungen von Forschung mit.
(c) Der MHE, der insgesamt 60 Credit Points (CP) umfasst, sieht ein verpflichtendes Projektmodul von 20 CP vor, in dem wir unser Konzept von forschendem Lernen realisieren. Damit haben wir gute strukturelle Voraussetzungen für diese Form der Lehre.
(d) Es gibt im Lehrenden-Team des MHE von Beginn an den Konsens, dass die Forschungsprojekte im Projektmodul dem Forschungsgenre Design-Based Research (DBR) folgen: Mit DBR setzen die Studierenden ein Forschungsprojekt im Kontext Lehre um, mit dem sie eine wissenschaftliche Erkenntnis und zugleich einen praktischen Nutzen im Rahmen ihrer (lehrebezogenen) beruflichen Tätigkeit erzielen.
(e) Die Studierenden entscheiden selbst, wie viel Zeit sie sich für ihr DBR-Projekt nehmen: In der Regel sind es mindestens zwei Semester; nicht wenige Projekte dauern allerdings länger bzw. werden von den Studierenden selbstbestimmt länger praktiziert.
(f) Da wir für das forschende Lernen MHE ein ganzes Modul zur Verfügung haben, können wir mehrere Lehrangebote für die Studierenden bereithalten: eine Einführungsveranstaltung in DBR, eine Veranstaltung zum gegenseitigen Lernen über den Austausch von Zwischenständen der eigenen DBR-Projekte, eine Projektkonferenz(-Woche), die mindestens zweimal besucht wird, sowie ein individuelles Wissenschaftscoaching. Es fließen also auch – regulär und geplant – ausreichend viele Ressourcen von Seiten der Lehrenden in das Projektmodul.

Umfeld

Grund

Vorweggenommene Herausforderung

Persönliches professionelles Anliegen

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Forschendes Lernen war und ist eines meiner Forschungsschwerpunkte im Rahmen der Hochschuldidaktik; dies gilt auch für einige andere im Lehrenden-Team des MHE. Ich komme also zum Thema bzw. zum didaktischen Konzept über die eigene Forschungstätigkeit. Es war für mich bei der Konzeption des MHE ab 2015 gewissermaßen gesetzt, zusammen den Studiengang von vornherein so aufzubauen, dass forschendes Lernen einen prominenten Stellenwert erlangt – ein Anliegen, welches das gesamte Lehrenden-Team des MHE teilt. Wir halten es in einem forschungsorientierten Master auf dem Feld Higher Education für eine Selbstverständlichkeit, auch zum Forschungshandeln zu befähigen, was dann auch praktiziert werden muss. Dass wir uns dazu entschieden haben, als Forschungsgenre DBR für alle Forschungsprojekte der Studierenden festzulegen, folgt vor allem der Beobachtung, dass dieser gestaltungsbasierte Ansatz eine hohe Affinität für das Beforschen der eigenen Lehre oder lehrebezogener Tätigkeitsfelder hat. Und genau das tun die Studierenden im MHE: Sie lehren forschend in ihrer eigenen Lehre oder lehrebezogenen Tätigkeit. Mit anderen Worten: Das Projektmodul folgt nicht nur dem Konzept des forschenden Lernens, sondern auch der Bewegung Scholarship of Teaching and Learning (SoTL). Mit SoTL wird darauf hingewirkt, dass die Entwicklung von Hochschullehre forschungsorientiert erfolgt und die an der Lehre beteiligten Personen eine forschende Haltung zur Lehre auf- oder ausbauen.

Umfeld

Umsetzung

Länger als ein Semester

An eine Veranstaltung angelehnt; ein eigenes Format

Curricular verankert & verpflichtend

Forschungsprozess: selbständig bzw. bei Bedarf

Feedback: Peers, Lehrende

Forschungsergebnisse: intern; teilweise öffentlich

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Die Studierenden realisieren ein eigenes Forschungsprojekt mit DBR im Rahmen des verpflichtenden Projektmoduls. Üblicherweise wird damit bereits im ersten Fachsemester begonnen (wobei individuelle Abweichungen möglich sind). Das Modul umfasst mehrere Lehrangebote, um das forschende Lernen anzuleiten, zu unterstützen und individuell zu begleiten:
(a) Zum Auftakt des Moduls besuchen die Studierenden eine Projektkonferenz bzw. eine Projektkonferenz-Woche. Das Besondere an dieser Konferenz ist, dass hier die Studierenden einer neuen Kohorte mit Studierenden zusammentreffen, die ihr abgeschlossenes DBR-Projekt präsentieren, wie auch mit Studierenden oder Alumni, die optional aus Interesse an der Konferenz teilnehmen. Das bedeutet: Für die Studierenden beginnt der Prozess forschenden Lernens damit, dass sie die Ergebnisse der Forschungsprojekte ihrer Mitstudierenden aus höheren Semestern kennenlernen. Die Projekt-Konferenz-Woche startet mit einer 90-minütigen synchronen Auftaktveranstaltung. Diese umfasst ein Kamingespräch mit einer jeweils externen Person, die in irgendeiner Form mit DBR verbunden ist und darüber berichtet. Es folgen Infos zum Ablauf der Woche sowie eine kurze Vorstellung der Referentinnen, also der Studierenden, die ihre Projekte präsentieren. Zu diesem Zeitpunkt haben die Referent:innen bereits Videos zu ihren abgeschlossenen DBR-Projekten auf einer Videoplattform hochgeladen. In den Folgetagen haben alle Konferenz-Teilnehmer:innen die Möglichkeit, die Videos nicht nur anzusehen, sondern auch asynchron zu kommentieren, was die Referent:innen wiederum rekommentieren können. Bis zum zwei- bis dreistündigen synchronen Termin mit (parallelen) Workshops zu den DBR-Projekten findet also bereits ein asynchroner Austausch statt. Diesen aufgreifend gestalten sich die Online-Workshops interaktiv und diskursiv – mit Gewinn auch für die Referent:innen.
(b) Unmittelbar nach der Projektkonferenz findet eine ca. vierwöchige (also geblockte) DBR-Einführung statt: Auch diese setzt sich aus (vier) synchronen Terminen sowie asynchronen Aufgabenbearbeitungen in Tandems, Gruppen und Einzelarbeit zusammen: Die Veranstaltung führt stufenweise in DBR ein und setzt hierzu nicht nur verschiedene Texte und Videos ein: Wir legen auch großen Wert darauf, dass bereits die ersten Schritte in Richtung DBR mit der eigenen Projektidee verknüpft werden. Zum Ende der DBR-Einführung haben die meisten Studierenden eine erste (noch unverbindliche) Projektskizze und suchen sich aus dem Lehrenden-Team einen Wissenschaftscoach, der sie in ihrem Forschungsprozess begleitet. Parallel zu dieser Einführung stehen den Studierenden umfangreiche Online-Ressourcen zu DBR zur Verfügung, die laufend aktualisiert und während des gesamten Projektmoduls genutzt werden können.
(c) Das Wissenschaftscoaching ist formal nicht festgelegt, sondern folgt den Bedürfnissen der Studierenden: In der Regel bietet der Coach bedarfsorientiert Beratung an, gibt Feedback auf Zwischenstände, unterstützt bei theoretischen und empirischen Anforderungen etc. Da jede Lehrperson mehrere Studierende begleitet, können anlassbezogen auch Beratungen und Austausch in der Gruppe erfolgen. Neben dem Wissenschaftscoaching, das während des gesamten Projekts bestehen bleibt, können die Studierenden zum weiteren Austausch jedes Semester optional die Projektkonferenz besuchen und sich dort z.B. durch die abgeschlossenen Projekte weitere Impulse holen. (d) Zu einem selbst gewählten Zeitpunkt besuchen die Studierenden eine zweite DBR-Veranstaltung, die vom Stil her einem Kolloquium ähnelt. Das heißt: In Gruppen von maximal 12 Studierenden stellt jede Person – auch hier in Form eines Videos -zunächst asynchron ihren Projektstand vor. In mehreren Terminen (abhängig von der Gruppengröße) wird synchron jedes Projekt im Laufe einer Woche intensiv diskutiert. Abweichend von üblichen Kolloquien spielt hier das gegenseitige Lernen eine zentrale Rolle: Es ist erklärtes Ziel, jedes Projekt mit seinem Zwischenstand als Beispiel zu verwenden, an dem man lernen kann, wie DBR funktioniert, welche Herausforderungen auftreten und wie man damit umgehen kann.
(e) Haben die Studierenden ihr Forschungsprojekt abgeschlossen, dokumentieren sie es in einem (portfolio-ähnlichen) Projektbericht und stellen ihr Projekt in der nächstmöglichen Projektkonferenz vor. Dies ist der Zeitpunkt, an dem die Studierenden also mindestens zum zweiten Mal die Konferenz besuchen – nun in der Rolle der Referent:innen, Als Prüfungsleistung wird ausschließlich der Projektbericht herangezogen.

Umfeld

Spannungen

Studentischer Kompetenzentwicklung & Anforderungen des Forschungsprozesses

Arbeitsaufwand und dem formal berechneten Zeitaufwand für Studierende

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Ich würde sagen, das größte Spannungsfeld ergibt sich beim forschenden Lernen im Rahmen des MHE durch das Forschungsgenre DBR: Die Studierenden des MHE haben höchst unterschiedliche Forschungssozialisationen bereits hinter sich und kommen mit entsprechend heterogenen Wissenschaftsauffassungen in unseren Master. Dann treffen sie auf DBR als einem vorgegebenen methodologischen Rahmen für ein Projektmodul, das einen relativ hohen Anteil im Studiengang einnimmt. Für die meisten unserer Studierenden ist DBR ein neues, ihnen also bisher nicht oder wenig bekanntes Forschungsgenre. Das ist insofern günstig, als dass auf diese Weise alle sozusagen gleich wissend oder unwissend bzw. unerfahren sind. Allerdings unterscheiden sich die Studierenden je nach Herkunftsdisziplin in der Regel darin, wie schnell und gut sie Zugang zu DBR finden. Dieser Umstand ist gerade zu Beginn des forschenden Lernprozesses eine besondere Herausforderung. So kommt es immer wieder vor, dass sich Studierende unwohl fühlen, weil sie nicht sofort ein gutes Verständnis von DBR entwickeln; vielen fällt es schwer, sich auf den DBR-Prozess beinzulassen, ohne schon alle offenen Fragen beantwortet zu haben, die sich aber oft erst im Verlauf des eigenen Projekts sinnvoll bearbeiten lassen.
Ein weiteres Spannungsfeld ergibt sich daraus, dass die studentischen Forschungsprojekte in praktischen (Lehr-)Kontexten umgesetzt werden: Damit entstehen mitunter Abhängigkeiten vom Praxisfeld, was zusätzlich zum Erlernen und Verstehen von DBR seitens der Studierenden bewältigt werden muss. Ein drittes spannungsgeladenes Kräftefeld entsteht aus der Tatsache, dass DBR ein Forschungsgenre in Bewegung ist, in verschiedenen Bereichen der Bildungsforschung nach wie vor kontrovers diskutiert wird und noch nicht auf ein allseits geteiltes Set an Methoden und Standards zurückgreifen kann, auch wenn es dazu inzwischen wachsende Bemühungen gibt. Wir gehen im MHE transparent damit um und betonen, dass auch wir durch und mit den Studierenden und ihren DBR-Projekten immer noch etwas für DBR dazulernen.

Umfeld

Wirkung

Nachgehen von Forschungsinteressen

Förderung forschender Neugier

Umgang mit Fehlern und Misserfolgen

Anknüpfung an bestehende Forschung

Erwerb von methodischen Kenntnissen

Erkennen von Zusammenhängen zwischen Studium und Beruf

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Mit unserer Umsetzung von forschendem Lernen in der hier beschriebenen Art und Weise wollen wir zum einen unseren Studierenden ein Forschungsgenre nahebringen, von dem wir glauben, dass Lehrende und die Lehre unterstützende Personen in ihrer beruflichen Tätigkeit an der Hochschule davon profitieren können. Wir erleben, dass sicher nicht alle, aber doch einige Studierende DBR auch nach dem Projekt praktizieren oder weiter einsetzen wollen. Da unsere Studierenden an ihren Hochschulen bisweilen als Multiplikator:innen wirken, erhoffen wir uns mit unserer Form der Förderung forschenden Lernens auch einen positiven Einfluss auf die Hochschuldidaktik und Hochschullehre; ob dieser tatsächlich eintritt, ist allerdings schwer zu sagen. Ein potenzieller ungewollter Effekt ist Überforderung, die nicht nur, aber auch mit der Komplexität von DBR als Forschungsgenre zu tun hat: Das berufsbegleitende Studium des MHE ist für sich bereits aufwändig und stellt hohe Ansprüche an die Selbstorganisation der Studierenden. Das DBR-Projekt, die bereits angedeuteten möglichen Unwägbarkeiten in deren Umsetzung und der Anspruch, während des Forschens bzw. Lernens DBR zu verstehen, können weitere Momente potenzieller Überforderung bewirken. Insbesondere mit dem Wissenschaftscoaching sowie individuellen und flexiblen Problemlösungen versuchen wir, diesen möglichen negativen Einfluss aufzufangen.

Weitere Informationen über diese Angebote zum forschenden Lernen können auf der Website des Studiengangs abgerufen werden.

Flaschenpost
  • Prof. Dr. Gabi Reinmann (weitere Lehrende: Prof. Dr. Carla Bohndick, Dr. Alexa Brase, Dr. Eileen Lübcke, Nadia Blüthmann)
  • Universität Hamburg
  • 2024
  • Die hier vorgestellte Praxis forschenden Lernens kennzeichnet ein ganzes Modul, das verpflichtend in den (konsekutiven) Masterstudiengang Higher Education (MHE) integriert ist. Die Studierenden kommen aus verschiedenen Disziplinen und studieren online sowie berufsbegleitend. Vorgegeben ist das Forschungsgenre Design-Based Research, mit dem die Studierenden neben wissen-
    schaftlichen Erkenntnissen einen praktischen Nutzen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit (in der Regel an Hochschulen) erzielen können.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Flaschenpost
  • Text/Textdokument
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Reinmann, Gabi (2024). Forschendes Lernen mit DBR im Master Higher Education. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • Studieneingangsphase Master (1.-2. Semester) | > 3. Master Semester
  • Bildungswissenschaften