Umfeld

Deutsche Sporthochschule Köln

zwischen 12 und 30 Master-Studierende

Durchführung: mehr als 3-mal,   9 CP und  2 SWS

 

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Mein Angebot zum forschenden Lernen findet in der Bewegungs- und Sportgerontologie an der Sporthochschule Köln statt. Es richtet sich an Masterstudierende und ist ein Pflichtmodul. Die Anzahl der Lernenden variiert zwischen 12 und 30, je nachdem wie viele Studierende sich für den Masterstudiengang pro Kohorte einschreiben. Inhaltlich geht es darum, konkrete Bewegungsangebote für ältere Menschen auf wissenschaftlicher Basis zu planen, durchzuführen und zu evaluieren. Ich habe das Modul nun schon einige Male durchgeführt, wobei ich aufgrund der gemachten Erfahrungen und des Feedbacks der Lernenden punktuelle Veränderungen bzw. Anpassungen vorgenommen habe. In diesem Semester habe ich auch begonnen, das Thema „Künstliche Intelligenz“ (KI) in die Veranstaltung zu integrieren. Dabei probieren die studentischen Kleingruppen und ich ausgewählte KI-Tools für bestimmte Forschungsphasen aus und berichten im Plenum über die gemachten Erfahrungen. 

Umfeld

Grund

Ein persönliches professionelles Anliegen

Ein Impuls aus meinem Umfeld

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Als ich das Modul vor einigen Jahren übernahm, hatte ich vor allem Erfahrungen in der Forschung gesammelt und mich weniger mit didaktischen Prinzipien von Lehr-Lernkontexten auseinandergesetzt. Als es dann darum ging, eine Lehrveranstaltung zu konzipieren, habe ich mich zunächst intuitiv dafür entschieden, dass die Lernenden in meinem Modul lernen sollen, selbstständig zu forschen. Das hatte zum einen den Grund, dass ich es wichtig finde, den Lernenden auch in einem eher praktischen Bereich wie der Sportwissenschaft wissenschaftliches Arbeiten beizubringen. Zum anderen hatte ich so die Möglichkeit, meinem eigenen Forschungsdrang nachzugehen und mich trotz meiner lehrintensiven Tätigkeit mit Forschung zu beschäftigen. So hatte ich, als ich mit der Planung meiner Lehrveranstaltung begann, noch keinen Begriff von dem didaktischen Prinzip des forschenden Lernens, sondern setzte es eher intuitiv um. Erst in einem Gespräch mit dem Bildungswissenschaftler Ludwig Huber während eines Treffens vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im Rahmen einer Fellowship für innovative Lehrveranstaltungen wurde mir klar, dass meine Veranstaltung eindeutig als Angebot zum forschenden Lernen bezeichnet werden kann. Infolgedessen habe ich mich in das didaktische Prinzip eingearbeitet, mein Lehrkonzept verfeinert und mich in den letzten Jahren immer mehr mit den Möglichkeiten des forschenden Lernens auseinandergesetzt. 

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang

In ein Modul eingebettet

Curricular verankert & verpflichtend

Forschungsprozess: von Lehrenden bei Bedarf unterstützt

Feedback: Peers & Lehrende

Forschungsergebnisse: intern

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Die Umsetzung meines Angebotes zum forschenden Lernen orientiert sich an den typischen Forschungsphasen. So erarbeiten die Lernenden zunächst in Kleingruppen das Forschungsthema (aktueller Forschungsstand, Theorie, Forschungslücke) und sammeln mögliche Forschungsfragen, die sie in Bezug auf Bewegungsangebote für ältere Menschen interessieren könnten und die für eine Umsetzung in einer wissenschaftlichen Studie eine aktuelle Relevanz aufweisen. Nach dieser Arbeitsphase stellen alle Gruppen ihre Fragen im Plenum vor und entscheiden gemeinsam, welche Forschungsfrage der gesamte Kurs bearbeiten möchte. In diesem Zusammenhang gehen die Lernenden beispielsweise der Frage nach, ob ein siebenwöchiges Online-Live-Training die wahrgenommene motorische Funktionsfähigkeit älterer Menschen verbessert und inwieweit es für 60- bis 70-Jährige nützlich, benutzerfreundlich und zufriedenstellend gestaltet werden kann. Ich halte mich aus diesem Entscheidungsprozess eher heraus und moderiere bzw. gebe gewisse Hinweise.  
Nachdem sich die Lernenden auf eine Forschungsfrage geeinigt haben, erarbeiten sie in Kleingruppen verschiedene theoretische und methodische Aspekte für die Gesamtgruppe und stellen diese im Plenum vor. Durch dieses Vorgehen sind alle Lernenden in diesen frühen Forschungsphasen involviert, wobei der Arbeitsaufwand für die einzelnen Gruppen überschaubar bleibt und nicht zu einer Überforderung führt. Darauf aufbauend erstellen wir im Plenum einen gemeinsamen Forschungsplan, in dem die unterschiedlichen Arbeiten der Gruppen zusammenfließen. Auch hier begleite ich die Lernenden, beantworte Fragen und achte vor allem darauf, dass die einzelnen Gruppen ihre Teilaufgaben in der vorgegebenen Zeit bewältigen.  
Anschließend akquirieren alle Lernenden ältere Proband:innen und beginnen mit der forschenden Tätigkeit. Somit tragen alle Lernenden zur Stichprobe der Proband*innen bei. Für die Durchführung der Messungen (Prä-Post) als auch die Umsetzung der Trainingsintervention arbeiten alle Lernenden mit der gemeinsamen Personengruppe der rekrutierten Älteren. Die gesammelten Daten werden anschließend im Plenum zusammengeführt und besprochen. So entsteht ein gemeinsamer Datensatz, mit dem die einzelnen Gruppen weiterarbeiten können. Bei der Auswertung der Daten teilen sich die Lernenden wieder in Kleingruppen auf und wählen einen Teilaspekt aus, den sie dann systematisch analysieren. Dabei lasse ich den Lernenden freie Hand und finde es auch nicht schlimm, wenn sich zwei Gruppen mit dem gleichen Teilaspekt beschäftigen.  
Nach der Auswertung präsentieren die Lernenden ihre Ergebnisse in einem wissenschaftlichen Artikel und lernen so direkt, ihre Forschung kompakt und nach wissenschaftlichen Standards darzustellen. Bei besonders guten Ausführungen motiviere ich die Lernenden, ihre Arbeit auch bei Zeitschriften oder Konferenzen für studentische Forschung einzureichen.  
Im Gegensatz zu den anderen Phasen, die zwar ineinander übergehen, aber grundlegender aufeinander aufbauen, findet die Reflexionsphase zu verschiedenen Zeitpunkten im Forschungsprozess statt und ermöglicht es, verschiedene Aspekte des Forschungsprozesses zu diskutieren und Probleme oder Überlegungen der Lernenden zeitnah aufzugreifen. 
Zusätzlich zu diesem klassischen Forschungsphasen haben wir in diesem Semester damit begonnen, verschiedene KI-Tools in unterschiedlichen Forschungsphasen auszuprobieren und deren Einsatz im Plenum vorzustellen und zu diskutieren. So wurden beispielsweise verschiedene Recherche- und Visualisierungsmethoden ausprobiert oder getestet, welche KI-Anwendungen sich besonders gut für Transkriptionen eignen. Sowohl die Lernenden als auch ich konnten uns so mit den neuen Möglichkeiten von KI auseinandersetzen und spielerisch herausfinden, welche Tools sich gut in den Forschungsprozess integrieren lassen. 
 

Umfeld

Spannungen

Individuellem und sozialem Lernen

Arbeitsaufwand und dem formal berechneten Zeitaufwand für Studierende

Veranstaltungsplanung und Anpassung infolge der Dynamik beim forschenden Lernen

Veränderte Lehrenden-Rolle und der vorhandenen Lehrtradition

Studentischer Heterogenität und Gerechtigkeitsfragen

 

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Ein grundsätzliches Spannungsfeld ist der hohe Aufwand dieses Moduls, der zwar formal mit 9 CP und 270h Workload gerechtfertigt ist, aber gerade zu Beginn des Forschungsprojektes häufig ein Kritikpunkt der Lernenden ist. Dies ändert sich jedoch häufig im Laufe des Semesters und die Lernenden begeistern sich vor allem in der forschenden Tätigkeit und im Austausch mit den Proband:innen immer mehr für ihre Arbeit. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Lernenden gemeinsam an einer Forschungsfrage arbeiten und nicht den gesamten theoretischen und methodischen Zugang bearbeiten müssen, sondern sich auf Teilaspekte konzentrieren können.  
Dieses Vorgehen führt aber auch zu einer anderen widersprüchlichen Situation. So habe ich mehrfach erlebt, dass die einzelnen Gruppen sehr unterschiedliche Ansprüche hatten und teilweise sehr gute und teilweise weniger gute Arbeiten zu ihren Teilaspekten präsentierten. Dieses Ungleichgewicht ist natürlich besonders spannungsgeladen, da die anderen auch die Ergebnisse der jeweiligen Gruppe benötigen, um weiterarbeiten zu können. Diese Situation führt aber auch dazu, dass ein gewisser sozialer Druck entsteht und sich die Lernenden gegenseitig anspornen und dafür sorgen, dass jede Gruppe gut vorbereitet ist.  
Ein weiteres Spannungsfeld ergibt sich aus meiner Entscheidung, den Lernenden möglichst viel Freiraum und Entscheidungsmöglichkeiten zu geben. Einerseits begeistert dies die Lernenden mehr für das Forschungsprojekt und gibt ihnen das Gefühl selbstbestimmt zu arbeiten. Andererseits kann diese Freiheit auch dazu führen, dass die Lernenden zumindest in Teilaspekten scheitern, z. B. wenn sie sich für eine Forschungsfrage entscheiden, für die es sehr schwierig ist, genügend Proband:innen zu finden. Für die Lernenden ist das immer ein schockierender Moment und man merkt, wie enttäuscht sie sind, wenn die Realität anders aussieht als die Planung. Ich finde diese Erfahrung aber sehr wertvoll und glaube, dass die Lernenden langfristig viel aus einer solcher negativen Erfahrung lernen können. Allerdings kostet mich diese Haltung auch viel Kraft und ich merke oft, dass ich am liebsten intervenieren würde, wenn ich eine Entscheidung der Lernenden für schwer umsetzbar halte. Hier müssen also sowohl die Lernenden als auch ich diese Spannung aushalten und uns aus unseren Komfortzonen lösen. Mir persönlich hilft es in solchen Situationen, daran zu denken, dass es auch schon Situationen gab, in denen ich dachte, das klappt auf keinen Fall, und es dann doch (oder zumindest mit gewissen Anpassungen) gut funktioniert hat. 

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben von forschender Neugier

Umgang mit Fehlern und Misserfolgen

Erwerb von methodischen Kenntnissen

Erwerb von Schreibkompetenzen

Erkennen von Zusammenhängen zwischen Studium und Beruf

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Bei den Lernenden beobachte ich zwei zentrale Effekte. Zum einen spiegeln mir die Lernenden häufig am Ende des Forschungsprojektes oder der anschließenden Masterarbeit zurück, dass sie in diesem Seminar erst richtig verstanden haben, was wissenschaftliches Forschen ausmacht und dass es für sie eine sehr gute Vorbereitung auf die anschließende Masterarbeit ist. Das ist natürlich ein Effekt, der mich sehr freut und den ich auch mit dem didaktischen Prinzip des forschenden Lernens erreichen möchte.  
Ein anderer Effekt, der mich tatsächlich überrascht hat, ist die soziale Bindung, die die Lernenden sowohl untereinander als auch zu den Proband:innen aufbauen. So bleiben beispielsweise einige Lernende noch länger mit ihren Proband:innen in Kontakt und geben ihnen über den Kurs hinaus Bewegungstipps. Ein Studierender hat sich sogar mit einem älteren Ehepaar angefreundet, trifft sich mit diesem in seiner Freizeit und hat für sie ein Fitnessprogramm zusammengestellt. Diese entstehenden sozialen Bindungen waren von mir so nicht intendiert, haben mir aber noch einmal deutlich gemacht, wie viel soziales Potenzial im forschenden Lernen steckt und wie es helfen kann, unterschiedliche soziale Gruppen zusammenzubringen. Gerade für unsere Studierenden, die ja zu einem großen Teil später in der Praxis arbeiten werden, halte ich diese Erfahrung und das Kennenlernen anderer gesellschaftlicher Gruppen und die Auseinandersetzung mit deren Themen für sehr wichtig.  
Aber nicht nur bei den Lernenden sehe ich Wirkungen. Auch auf mich haben die Veranstaltungen verschiedene Effekte. Zum einen merke ich, dass ich viel mehr Spaß an solchen Veranstaltungen habe und obwohl ich eher eine moderierende Rolle einnehme, viel mehr involviert bin und den Austausch und die Diskussion über Forschung mit den Lernenden genieße. Zum anderen bekomme ich durch die Lernenden Einblicke in aktuelle Forschungsthemen oder Forschungsstände, werde vielleicht auf eine spannende Studie aufmerksam, die ich dann selbst noch einmal lese, und kann so zumindest im kleinen Rahmen gewisse Forschungsaktivitäten verfolgen, für die ich sonst durch meine lehrintensive Stelle kaum Zeit habe.

Flaschenpost
  • Dr. Tobias Morat
  • Deutsche Sporthochschule Köln
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Angebot zum forschenden Lernen findet im Rahmen des Masterstudiengangs Bewegungs- und Sportgerontologie an der Sporthochschule Köln statt. Im Rahmen der Veranstaltung lernen die Lernenden, wie Sportinterventionen in einem Forschungsprojekt wissenschaftlich geplant, durchgeführt und evaluiert werden.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Text/Textdokument
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Morat, Tobias (2024). Forschendes Lernen in der Sportwissenschaft. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • Studieneingangsphase Master (1.-2. Semester)
  • Sportwissenschaft