Die folgende Textsequenz bzw. Fallvignette schildert eine Situation im Kontext einer Lehre, die forschendes Lernen zum Ziel hat. Die beschriebene Situation fordert Sie als Lehrende heraus und verlangt möglicherweise von Ihnen, dass Sie unmittelbar handeln. Ziel der Bearbeitung der Fallvignette ist es, dass Sie sich Gedanken darüber machen können, was Sie in einer solchen Situation tun oder wie Sie eine solche verhindern könnten. Vielleicht aber schätzen Sie die Situation auch als problemlos und eher lernförderlich ein. So oder so können sich auf diese Weise sozusagen präventiv mit möglichen Herausforderungen vertraut machen und Ihre eigenen Bewertungen und Handlungsimpulse reflektieren.
Die beschriebenen Situationen stammen aus Interviewdaten mit Koordinator_innen von Projekten zum forschenden Lernen und wurden für den genannten Zweck zugespitzt. Es wurden die geläufigsten Herausforderungen, die in Lehrangeboten zur Förderung forschenden Lernens vorkommen, ausgewählt und in Fallvignetten umgewandelt.
Nach einem arbeitsintensiven Start im letzten Semester hat die Institutsleitung nun doch vier kleine Stellen für Tutor_innen zugesagt. Die Ausschreibung war erfolgreich, es gab recht viele Bewerbungen und Sie hatten den Eindruck, die Geeignetsten ausgewählt zu haben. Doch in der ersten kleinen Teamvorbesprechung wurde deutlich, dass die Erwartungen an den Job ebenso weit auseinandergehen, wie die Kompetenzen der zukünftigen Tutor_innen. Sie haben jetzt eine Woche Zeit, das Team auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Jetzt müssen Sie sich nur noch überlegen: wie?
Reflexionsfragen
- Welche Anforderungen an die Tutor_innen gab es bei der Bewerbung?
- Bei welchen Aufgaben erwarten Sie Unterstützung durch Tutor_innen?
- Welche Kompetenzen müssten Ihre Tutor_innen mitbringen?
- Welche Erwartungen könnten Tutor_innen haben?
- Wer kann Sie bei der Schulung von Tutor_innen unterstützen? Gibt es vielleicht Online-Schulungen?
Umgangsweisen
Im Folgenden werden präventives und intervenierendes Handeln und in der geschilderten Situation präsentiert. Sie sind Beispiele aus der Praxis, wie Lehrende an Hochschulen mit der Situation umgehen: präventiv oder intervenierend. Zudem werden indirekte Maßnahmen aufgeführt, die sozusagen „über Bande“ Wirkung entfalten können.
Präventives Handeln
Präventives Handeln verhindert die beschriebene Situation bzw. macht sie weniger wahrscheinlich, denn eine Garantie für die Vermeidung solcher Konflikte gibt es nicht.
Motivationsschreiben einfordern
Siefordern von den Bewerber_innen ein Motivationsschreiben, in dem sie sowohl ihre Fähig- und Fertigkeiten als auch ihre Erwartungen an den Job explizieren sollen.
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Ein Einblick in die Vorstellungen der Tutor_innen verdeutlicht Vorbereitungsbedarfe oder sortiert ggf. gleich aus.
Lehramtsstudierende adressieren
Sie adressieren explizit Lehramtsstudierende in Ihrer Ausschreibung für die Tutor_innenstellen.
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Lehramtsstudierende erwerben – zumindest teilweise – bereits in ihrem Studium Fähigkeiten, die in der Betreuung von Tutorien benötigt werden. Außerdem haben sie eine gesteigerte Motivation, diese Fähigkeiten auszuprobieren, da die Situationen im Tutorium denen ihrer Berufswahl ähneln.
Intervenierendes Handeln
Intervenierend handelt man in der Regel, „wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“. Es handelt sich also um akute reaktive Maßnahmen.
Qualifizierungsworkshop durchführen
Sie setzen einen Termin zur Schulung der zukünftigen Tutor_innen an. Mögliche Themen sind:
- Forschendes Lernen
- Didaktische Methoden
- Umgang mit schwierigen Personen
- Moderation eines Diskussionsprozesses
- Sicherung von Arbeitsergebnissen
- Rollenwechsel in Gruppen
- Hospitationen
- Leitfaden für den Semesterablauf
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Sie können die Tutor_innen gezielt auf ihre Aufgaben vorbereiten und ein vergleichbares Niveau schaffen. So können Sie noch rechtzeitig vor Semesterbeginn daran mitwirken, dass die Tutorien einen gemeinsamen Qualitätsstandard haben.
Forschendes Lernen hervorheben
In der Tutor_innenschulung, aber auch bereits in der Ausschreibung, thematisieren Sie die Besonderheiten des forschenden Lernens und welche Konsequenzen dies für die praktische Arbeit in den Tutorien mit sich trägt.
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Wenn Sie die besonderen Bedarfe im Kontext des forschenden Lernens hervorheben, werden Fähigkeitenbedarfe, aber auch Möglichkeiten in der Arbeit bei den Tutor_innen von Beginn an deutlich.
Externe Trainer_innen einsetzen
Sie engagieren externe Trainer_innen zur Qualifikation der Tutor_innen. „Extern“ bedeutet, dass Sie die Qualifikation nicht selbst durchführen. Sie können tatsächlich „Externe“ dafür engagieren, aber auch eine Anbindung an das hochschuldidaktische Programm der Hochschule wäre denkbar.
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Sie sind sich sicher, dass dafür ausgebildete Fachkräfte die Weiterbildung der Tutor_innen übernehmen. Zudem haben Sie so Ressourcen für anderes frei.
E-Tutor_innen einsetzen
Statt die Tutor_innen in Präsenz-Tutorien einzusetzen, können Sie auch „E-Tutor_innen“ einsetzen. Diese verfügen über bestimmte Aufgabenbereiche, die sie online durchführen können, beispielsweise Korrekturlesen oder Verfügbarkeit für bestimmte Fragen.
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Alle Vorgänge zwischen den Studierenden und den E-Tutor_innen werden dadurch dokumentiert und Sie können „im Prozess“ gegebenenfalls nachjustieren und einhaken. Zumindest zu Projektbeginn gibt Ihnen die Transparenz Sicherheit. Zudem können Sich die E-Tutor_innen so auch niedrigschwellig mit Fragen anhand konkreter Beispiele bei Ihnen rückversichern.
Selbst hospitieren
Sie hospitieren bei Bedarf bei einer Sitzung und führen ggf. ein Vor- und Nachgespräch mit der Tutorin/dem Tutor.
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Durch die eigene Anwesenheit im Tutorium bekommen Sie mit, wie es läuft und können im Rahmen des Nachgesprächs ggf. bei bestimmten Fragen Unterstützung leisten.
Indirekte (begleitende) Maßnahmen
Die begleitenden Maßnahmen wirken nicht direkt auf die Studierenden ein, sondern eher „über Bande“, in diesem Fall Dritte Akteur_innen.
Regelmäßige Treffen mit Tutor_innen durchführen
Sie richten einen Jour fix mit den Tutor_innen ein, bspw. einmal im Monat.
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Der Termin kann zum Austausch untereinander und mit Ihnen sowie auch ggf. zur weiteren Schulung (im Rahmen von kleinen Workshops) genutzt werden. Zudem erhalten Sie Einblick, wo es gerade hakt oder an welchen Stellen die Tutor_innen Unterstützung durch Sie benötigen.
Tutor_innenschulung evaluieren
Sie bleiben nah an den Tutor_innen und fragen regelmäßig, ob ihnen für ihre Tätigkeit noch etwas fehlt, was Sie in einer weiteren Schulung lernen möchten.
Nutzen der Maßnahme für die Fallvignettensituation:
Einerseits entlastet Sie das Wissen, dass Sie gegebenenfalls noch „nachliefern“ können. Andererseits erfahren Sie so tatsächliche Bedarfe der Tutor_innen.
- FideS-Team
- Projekt FideS - Forschungsorientierung in der Studieneingangsphase
- 2020
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Nach einem arbeitsintensiven Start im letzten Semester hat die Institutsleitung nun doch vier kleine Stellen für Tutor_innen zugesagt. Die Ausschreibung war erfolgreich, es gab recht viele Bewerbungen und Sie hatten den Eindruck, die Geeignetsten ausgewählt zu haben. Doch in der ersten kleinen Teamvorbesprechung wurde deutlich, dass die Erwartungen an den Job ebenso weit auseinandergehen, wie die Kompetenzen der zukünftigen Tutor_innen. Sie haben jetzt eine Woche Zeit, das Team auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Jetzt müssen Sie sich nur noch überlegen: wie?
- Fallvignette
- Deutsch
- CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
- Preiß, J., Bartels, M., Herrmann, A.-C., Krein, U., Lübcke, E. & Reinmann, G. (2020). Fallvignette: Unterstützung macht Arbeit. Hamburg; Kaiserslautern; Potsdam: Projekt FideS-Transfer.
- übergreifend