Die folgende Textsequenz bzw. Fallvignette schildert eine Situation im Kontext einer Lehre, die forschendes Lernen zum Ziel hat. Die beschriebene Situation fordert Sie als Lehrende heraus und möglicherweise verlangt sie von Ihnen, dass Sie unmittelbar handeln. Ziel der Bearbeitung der Fallvignette ist es, dass Sie sich Gedanken darüber machen können, was Sie in einer solchen Situation tun würden oder wie Sie eine solche verhindern könnten. Vielleicht aber schätzen Sie die Situation auch als problemlos und eher lernförderlich ein. So oder so können Sie sich auf diese Weise präventiv mit möglichen Herausforderungen vertraut machen und Ihre eigenen Bewertungen und Handlungsimpulse reflektieren.

Die beschriebenen Situationen stammen aus Interviewdaten mit Koordinator_innen von Projekten zum forschenden Lernen und wurden für den genannten Zweck zugespitzt. Auf diese Weise wurden die geläufigsten Herausforderungen, die in Lehrangeboten zur Förderung forschenden Lernens vorkommen, ausgewählt und in Fallvignetten umgewandelt.

Dritte Semesterwoche. Voller Vorfreude sind Sie in die Sitzung gegangen, um stolz eine Konferenz zum Semesterende anzukündigen, auf der die Studierenden ihre Projektergebnisse präsentieren können. Bis zuletzt hatte das Stattfinden der Konferenz auf der Kippe gestanden und Sie viele Nerven und Überzeugungsarbeit gekostet. In der Veranstaltung wird allerdings schnell klar, dass die Studierenden gar nicht so begeistert von dem Angebot sind. Eine Studentin bringt es auf den Punkt: „Und was, wenn wir keine guten Ergebnisse haben? Wenn wir uns da nur blamieren?“

Reflexionsfragen

Die oben beschriebene Situation ist eine typische Herausforderung, der Sie begegnen könnten, wenn Sie forschendes Lernen in Ihrer Lehre umsetzen. Die folgenden Reflexionsfragen dienen als Impulse, aus verschiedenen Perspektiven auf eine solche oder ähnliche Situation zu schauen und dann auch zu unterschiedlichen Entscheidungen zu kommen:

  • Haben Sie mit Ihren Studierenden besprochen, was „gute Ergebnisse“ im Forschungsprozess sind?
  • Was soll mit der Ergebnispräsentation erreicht bzw. dadurch gelernt werden?
  • Gehört es für Sie dazu, Unsicherheit bei den eigenen Ergebnissen zu verspüren und finden Sie es wichtig, dass Studierende diese Erfahrung machen?
  • Wenn Sie die Konferenz stattfinden lassen: würden Sie es sich selbst oder den Studierenden zuliebe tun? Und wenn Sie die Konferenz absagen würden?
  • Sollen auf der Konferenz nur die inhaltlichen Ergebnisse oder auch der Lernprozess während des Forschungsprozesses dargestellt werden?

Haltungen und Umgangsweisen

Im Folgenden werden einerseits Haltungen, andererseits präventives und intervenierendes Handeln in der geschilderten Situation präsentiert. Zunächst werden Haltungen geschildert, welche Auswirkungen darauf haben könnten, ob und wie reagiert wird. Anschließend werden Handlungen präsentiert. Sie sind Beispiele aus der Praxis, wie Lehrende an Hochschulen mit der Situation umgehen: präventiv oder intervenierend. Zudem werden indirekte Maßnahmen aufgeführt, die sozusagen „über Bande“ ihre Wirkung entfalten können.

Haltungen

Haltungen umfassen keine konkreten Maßnahmen, sondern beschreiben die inneren Einstellungen von Lehrenden oder Koordinierenden zu unterschiedlichen Situationen. In Abhängigkeit von der Haltung können Situationen als „problematisch“ und „herausfordernd“, aber auch als „erwünscht“ und „normal“ interpretiert werden.

Studierende die Sorgen aushalten lassen

Sie sind der Ansicht, dass Scheitern auch dazu gehört und auch in Ordnung ist. Scheitern ist der größte Lernanlass. 

In dieser Fallvignettensituation bedeutet das auf der Handlungsebene: Sie teilen Ihre Haltung den Studierenden mit: Es wäre auch in Ordnung, wenn sie keine präsentationswürdigen Ergebnisse erreichen, weil sie trotzdem sehr viel lernen können. Sie würden in der konkreten Situation jedoch dafür sorgen, dass das Scheitern nicht als persönliche Niederlage wahrgenommen wird, sondern es so framen, dass deutlich wird, dass es dazugehört, auch anderen hätte passieren können und welche Lerngelegenheiten sich dadurch ergeben haben. 

Präventives Handeln

Präventives Handeln verhindert die beschriebene Situation bzw. macht sie weniger wahrscheinlich, denn eine Garantie für die Vermeidung solcher Konflikte gibt es nicht.

Generalprobe organisieren

Zwei Tage vor der Ergebnispräsentation führen Sie eine Generalprobe durch, bei der alle Studierenden eine erste Gelegenheit haben, ihre Präsentation zu halten. Dort besteht auch nochmal eine Gelegenheit für Feedback. 

Nutzen dieser Maßnahme für die Fallvignettensituation: Die Studierenden haben so die Sicherheit, dass sie nicht blind ins offene Messer laufen, sondern vorher von Ihnen gegebenenfalls auf Probleme und Peinlichkeiten aufmerksam gemacht werden. 

Intervenierendes Handeln

Intervenierend handelt man in der Regel, „wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“. Es handelt sich also um akute reaktive Maßnahmen:

Ergebnisse sicherstellen

Durch enge Betreuung stellen Sie sicher, dass die Studierenden zu Semesterende etwas Präsentables vorstellen können. Dabei muss es nicht unbedingt das ursprünglich Anvisierte sein – manchmal kann es Ergebnis genug sein, bei der Präsentation zu erklären, warum etwas nicht geklappt hat.

Nutzen dieser Maßnahme für die Fallvignettensituation: Die Studierenden haben sicher etwas vorzustellen, auch wenn es nicht unbedingt das ist, was sie sich erhofft haben. Durch gute Begleitung kann daraus dennoch das präsentable Ergebnis eines Erkenntnisprozesses werden. 

Formen der Ergebnispräsentation

Nachfolgend finden Sie eine Liste möglicher Formen der Ergebnispräsentation, die nach Rahmen / Form / Dauer / Zielen unterscheidet und vielleicht dazu anregen kann, Ihr Format noch weiterzuentwickeln.

Rahmen der Ergebnispräsentation

  • geschlossen (Teilnehmende der Veranstaltung)
  • für Interessierte geöffnet 
  • verpflichtend für Externe (bspw. Folgejahrgänge) 
  • umfassend beworben 
  • in Universitätskultur eingebettet
  • auf externer Tagung (z.B. studentische Forschungstagung)

Form der Ergebnispräsentation

  • Konferenz
  • Poster-Präsentation
  • Vortrag
  • Demonstration

Dauer der Ergebnispräsentation

  • Abschlusssitzung 
  • Tagesveranstaltung, bspw. Jahrestagung
  • Konferenz-Woche
  • Dauerhafte Ausstellung von Postern
  • Journal-Veröffentlichung

Ziele der Ergebnispräsentation

  • Einschätzen der eigenen Leistung
  • Intrinsische Motivation fördern
  • Einstehen der Studierenden für eigene Leistung
  • Eigene Fortschritte bemerken

Tipps und Tricks

  • Generalprobe durchführen
  • Gescheiterte Projekte “umpolen” -> neues präsentables Erkenntnisziel: Warum hat das nicht geklappt?

  • FideS-Team
  • Projekt FideS - Forschungsorientierung in der Studieneingangsphase
  • 2020
  • Dritte Semesterwoche. Voller Vorfreude sind Sie in die Sitzung gegangen, um stolz eine Konferenz zum Semesterende anzukündigen, auf der die Studierenden ihre Projektergebnisse präsentieren können. Bis zuletzt hatte das Stattfinden der Konferenz auf der Kippe gestanden und Sie viele Nerven und Überzeugungsarbeit gekostet. In der Veranstaltung wird allerdings schnell klar, dass die Studierenden gar nicht so begeistert von dem Angebot sind. Eine Studentin bringt es auf den Punkt: „Und was, wenn wir keine guten Ergebnisse haben? Wenn wir uns da nur blamieren?“

  • Fallvignette
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Preiß, J., Bartels, M., Herrmann, A.-C., Krein, U., Lübcke, E. & Reinmann, G. (2020). Fallvignette: Vorzeitiges Lampenfieber. Hamburg; Kaiserslautern; Potsdam: Projekt FideS-Transfer.
  • übergreifend