Umfeld

Humboldt-Universität zu Berlin, Geistes-, Wirtschafts- & Kulturwissenschaften, Interdisziplinär

30 Master und Bachelor-Studierende

Durchführung: 1-mal, 4 CP & 2 SWS

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Ich habe die Methode des forschenden Lernens im Rahmen der Lehrveranstaltung Künstliche Intelligenz: Der klügere Mensch? Möglichkeiten und Grenzen Künstlicher Intelligenz unter erkenntnistheoretischem Aspekt an der Humboldt Universität zu Berlin im Wintersemester 23/24 umgesetzt. Es war Teil des Q-Teams im Überfachlichen Wahlpflichtbereich und richtete sich damit an Studierende aus allen Bereichen und Disziplinen auf Bachelor- und Masterniveau. Die Teilnehmendenzahl lag bei circa 30 Studierenden.

Warum denkt KI anders als der Mensch? Was ist der Unterschied zwischen Super AI, General AI, Strong AI, Weak AI? Wie lernt KI und was können wir daraus erkenntnistheoretisch mitnehmen? Warum ist Schachspielen für KI einfacher als Autofahren? Diese Fragen und mehr wurden in der interdisziplinären Veranstaltung behandelt. Dabei präsentieren die Studierenden ihre Forschungsergebnisse in Form von Podcast-Episoden, die auf allen gängigen Streamingdiensten veröffentlicht werden.

Umfeld

Grund

Persönliches professionelles Anliegen

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Grundsätzlich entstand das Seminar aus dem Wunsch heraus, Studierende für die eigenständige Forschung zu akademischen Fragestellungen zu begeistern, die mir am Herzen liegen. Das forschende Lernen bot sich dafür in besonderer Weise an, da es mir die Möglichkeit bot, ein inklusives, interaktives und interessantes Lehrangebot zu entwickeln, in dem die Studierenden eigenständig forschen und ihre Ergebnisse für Dritte sichtbar machen. Ein weiterer Grund für die Wahl dieses Formats war, dass es den Studierenden und mir ermöglichte, das Thema Künstliche Intelligenz aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Auf diese Weise konnte ich einerseits den interdisziplinären Austausch zwischen den Studierenden fördern und andererseits selbst neue Erkenntnisse zu diesem Themenkomplex gewinnen. Darüber hinaus wollte ich mit meinem Angebot zum forschenden Lernen den Studierenden die Möglichkeit geben, ihre wissenschaftlichen Ergebnisse öffentlich zu kommunizieren und so über Podcasts in die Gesellschaft hineinzuwirken.

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang & in eine Veranstaltung eingebettet

Curricular verankert & optionales Angebot

Forschungsprozess: systematisch angeleitet

Feedback: Peers & Lehrende

Forschungsergebnisse: öffentlich

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Grundsätzlich erfolgte die Umsetzung des Seminars in drei Phasen:

1. Phase: Einführung ins Thema

In dieser Phase wurden die Studierenden in die Thematik eingeführt und konnten anhand ihrer je eigenen Vorkenntnisse eigenständig die zu behandelnden Fragestellungen entwickeln. Die Studierenden befassten sich beispielsweise mit folgenden Fragen: Kann KI denken? Was ist die Zukunft der Arbeit mit KI? Welche Rolle spielt KI für die Arbeit? Kann KI fühlen? Entsprechend dem forschenden Lernen sollten in dieser Phase zugleich theoretische Zugänge erarbeitet und methodische Forschungsdesigns ausgewählt und übernommen werden. Dadurch wurden die Forschungsfragen präzisiert und in ihrem konzeptionellen Aufbau vorstrukturiert. Den Studierenden sollte dabei schon die hohe Relevanz wissenschaftlicher, interdisziplinärer Kommunikation und Präsentation nähergebracht werden.

2. Phase: Erarbeitung des Themas

Unter Anleitung erarbeiteten die Studierenden systematische Argumentationswege hinsichtlich der jeweiligen Fragestellungen, setzten die in Phase 1 entwickelten Forschungsdesigns eigeninitiativ und selbstständig um und gestalteten damit ihre Forschungsdesigns passgenau zur jeweiligen Fragestellung. Ihre Ergebnisse präsentierten die Studierenden in Form von 20-60-minütigen Podcast-Folgen. Je nachdem konnten die Studierenden ihre Ergebnisse auch als Gemeinschaftsfolge (etwa in Dialogform) ausarbeiten. Dabei musste jedoch der je eigene Anteil an diesen Gruppenepisoden erkennbar und bewertbar bleiben.

3. Phase: Vorstellung und Reflexion der Forschungsergebnisse

In dieser letzten Phase präsentierten die Studierenden ihre Ergebnisse im Plenum. Dort wurden diese diskutiert und reflektiert, um den Studierenden nicht nur ein inhaltliches, sondern auch ein methodisches Feedback zu vermitteln.

Dieses dreistufige Vorgehen orientiert sich an einem idealtypischen Forschungszyklus und entspricht konzeptionell dem, was man als angeleiteten erlebnispädagogischen Ansatz bezeichnen könnte. Diese Form der Wissensvermittlung setzt einerseits auf die intrinsische Motivation der Studierenden und gewährt andererseits durch die begleitende Anleitung einen relativ hohen Schutz vor Frustration durch Überforderung. Zugleich wird bei diesem Ansatz die soziale Dimension des Lernens in hohem Maße angesprochen.

Umfeld

Spannungen

Selbst- und Fremdorganisation

Fachlicher und überfachlicher Kompetenzentwicklung

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Da es sich bei meinem Seminar um die Entwicklung eines studentischen Podcast handelte, war es eine Herausforderung die Balance zwischen Anleitung und Selbstorganisation der Studierenden zu halten.

Als Lehrende habe ich den Studierenden einen Werkzeugkasten an technischem Know-how, Methoden und inhaltlichen Inputs an die Hand gegeben. Diese halfen den Studierenden, sich inhaltlich, methodisch und technisch mit den gewählten Fragestellungen auseinanderzusetzen. Meine Einführungen waren jedoch nur als Grundlage zu verstehen, auf der sich die Studierenden selbstständig und mit Eigeninitiative weiter in die Inhalte, Methoden und die technische Umsetzung einarbeiteten. Insbesondere bei der Produktion der Podcasts konnte ich die Studierenden in einigen Aspekten weniger unterstützen: So waren die Studierenden bei der Produktion der Podcast-Episoden in Zusammenarbeit mit Kommiliton:innen oder externen Interviewgast:innen in gewisser Weise selbst verantwortlich und ich als Lehrende konnte nur in geringem Maße versuchen, ihnen dabei behilflich zu sein (wenn Interviewgast:innen nicht auf Anfragen reagierten, die Fragen dem Zeitrahmen nicht angemessen waren etc.).

Außerdem musste stets gewährleistet sein, dass ein rundes großes Ganzes entsteht – in Form, Inhalt und Ausgestaltung. Somit waren die Studierenden, trotz ihrer einzelnen Verantwortlichkeiten, auch ein Teil einer Forschungsgruppe und lernten sich gemeinsam abzustimmen. Ein wichtiger Part dafür war das mehrstufige Peer-Review. Von einem Elevator Pitch, bis hin zum One Pager: Jede:r Studierende:r durfte sein Projekt nach der Konzeptionierung und vor der Produktion den anderen vorstellen und so wichtiges Peer-to-Peer Feedback erhalten.

Eine weitere Spannung entstand durch die Interdisziplinarität der Studierenden. Einerseits war es gewinnbringend, dass verschiedene disziplinäre Hintergründe das Wissen aller vergrößerten und gleichzeitig waren die Studierenden gezwungen, sich in Wissenschaftskommunikation zu üben, da sie den Kommiliton:innen fachinterne komplexe Sachverhalte und Methoden allgemein und disziplinübergreifend verständlich erklären können mussten. Andererseits war es herausfordernd, einen gemeinsamen Common Ground zu finden, einen Ausgangspunkt, sprich das, was man voraussetzen kann und was nicht. Das stellte nicht nur die Studierenden, sondern auch mich als Lehrende immer wieder vor die Voraussetzung, die eigenen Termini technici, Methoden und disziplinären Glaubenssätze zu reflektieren und ggfs. einzutauschen. Mein Learning war auf jeden Fall, dass wohlfunktionierende Interdisziplinarität wertvoll und hilfreich ist, aber auch viel mehr Verständnis, Kommunikation und Offenheit von allen Teilnehmer:innen erfordert.

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben von forschender Neugier

Interdisziplinäres Arbeiten

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Eine grundsätzliche Auswirkung des Seminars war die Schaffung einer interaktiven, sozialen und interdisziplinären Lehr- und Lernumgebung, in der sowohl die Studierenden als auch ich selbst neue Perspektiven, Methoden, Denk- und Herangehensweisen kennen lernen konnten. Vor allem zeigte sich, dass Wissenschaft fundiert und hochkomplex, aber dennoch spannend und unterhaltsam sein kann. So entstand durch die Einbindung der unterschiedlichen Kompetenzen und Interessen der Studierenden eine inhaltlich anspruchsvolle Lehrveranstaltung, die allen Beteiligten neue Erkenntnisse vermittelte – und das quasi im Handumdrehen. In diesem Zusammenhang nahm ich eine Doppelrolle als Lehrende und Lernende ein und erhielt so die Möglichkeit zu unmittelbaren Rückkopplungen und Feedback. Diese Erfahrung empfinde ich als besonders wertvoll, da ich in anderen Lehrkontexten (z. B. vortragende Referentin oder Workshopleitung) diese Art des Austausches und das Einnehmen verschiedener Rollen vermisst habe.

Ein weiterer Effekt des Seminars war, dass sowohl die Studierenden als auch ich feststellten, wie gut sich Podcast-Episoden als Medium der Wissenschaftskommunikation eignen. Die Studierenden hatten großen Spaß daran, ihre Ergebnisse in einem Format zu präsentieren, das unmittelbar, digital, interaktiv, barrierefrei, interdisziplinär und jederzeit verfügbar ist. Diese Begeisterung spiegelt sich auch in den Ergebnissen wider: 13 veröffentlichte (und vier unveröffentlichte) Episoden zu verschiedenen Aspekten der KI – von Kunst über Medizin bis hin zur Wirtschaft.

Die Ergebnisse des forschenden Lernens wurden als Podcast-Folgen veröffentlicht und können hier eingesehen werden.

Flaschenpost
  • Dorothea Winter, M.A.
  • Humanistische Hochschule Berlin
  • 2024
  • Bei dem hier vorgestellten Angebot zum forschenden Lernen handelt es sich um ein interdisziplinäres Angebot, in dem Studierende verschiedener Fachrichtungen über den Einsatz und die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz recherchieren und ihre Ergebnisse in Podcast-Episoden veröffentlichen.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Deutsch
  • Winter, Dorothea (2024). Künstliche Intelligenz: Der klügere Mensch? Möglichkeiten und Grenzen Künstlicher Intelligenz unter erkenntnistheoretischem Aspekt. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • Angewandte Ethik