Umfeld

Volkswirtschaftslehre

20-30 Bachelor-Studierende

Durchführung: mehr als 3 Mal; 5 CP und 4 SWS

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Die Veranstaltung International Economics 2 wird im Studiengang Außenwirtschaft und International Business der HAW Hamburg angeboten und richtet sich an Bachelor-Studierende im sechsten Semester. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht das Themenfeld Außenwirtschaft und internationale Verflechtungen. Dabei werden in jedem Semester unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. So wurden in den vergangenen Jahren beispielsweise die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Drittstaaten, die Wettbewerbsfähigkeit von Schlüsselindustrien oder die Lieferketten verschiedener Zukunftstechnologien untersucht. Eine Besonderheit der Veranstaltung ist, dass sie immer in Kooperation mit einer Forschungseinrichtung durchgeführt wird. So haben wir in diesem Kurs bereits mit dem Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und dem Centrum für Europäische Politik zusammengearbeitet. Kern der Veranstaltung ist, dass sich die Studierenden mit einem aktuellen außenwirtschaftlichen Forschungsthema aus volkswirtschaftlicher Sicht auseinandersetzen und beginnen, eigenständig zu forschen.

Umfeld

Grund

Persönliches professionelles Anliegen

Impuls aus meinem Umfeld

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Die Motivation, das Seminar nach dem Prinzip des forschenden Lernens aufzubauen, ergab sich vor allem aus einer früheren Praxiskooperation mit dem HWWI, die nun mit dem Centrum für Europäische Politik fortgesetzt wird. Durch die Ideen und Ansätze unseres Kooperationspartners Dr. André Wolf wurde mir klar, dass ich die Seminarstruktur für die Praxiskooperation anpassen musste und entschied mich in diesem Zusammenhang gemeinsam mit Herrn Wolf für ein Format, in dem die Studierenden eigenständig zu aktuellen und relevanten Wirtschaftsthemen forschen können. Ein weiterer Grund, der bei der Entscheidung für das forschende Lernen eine Rolle spielte, war, dass die Studierenden auf diese Weise das wissenschaftliche Arbeiten und Recherchieren üben können, was eine gute Vorbereitung für die im folgenden Semester anstehende Bachelorarbeit ist.

Darüber hinaus hatten Herr Wolf und ich auch ein persönliches fachliches Interesse, forschendes Lernen in der Lehrveranstaltung zu etablieren. So kann Herr Wolf seine aktuellen Forschungsthemen mit einem universitären Seminar verknüpfen und erhält durch die studentischen Analysen Impulse für seine eigene Forschung. Ich wiederum erhalte interessante Einblicke in aktuelle Forschungsfragen und -gebiete, die ich ohne diese Veranstaltung gar nicht oder nur am Rande mitbekommen würde.

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang & in eine Veranstaltung eingebettet

Curricular verankert & verpflichtend

Forschungsprozess: angeleitet

Feedback: Peers, Lehrende, Externe

Forschungsergebnisse: teilweise öffentlich

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Die Veranstaltung wird, wie es für das forschende Lernen typisch ist, in verschiedenen Phasen durchgeführt. Durch die Praxiskooperation gibt es neben den typischen Phasen des forschenden Lernens in diesem Kontext immer auch eine Vorbereitungsphase, in der Herr Wolf und ich auf Basis seiner aktuellen Forschung ein Schwerpunktthema für die Veranstaltung festlegen und gemeinsam mögliche Unterthemen identifizieren. In diesem Semester lag der Fokus auf der ökonomischen Betrachtung von Lieferketten verschiedener Zukunftstechnologien. Dieses Vorgehen zeigt bereits eine Besonderheit der Veranstaltung in Bezug auf das forschende Lernen: Durch den vorgegebenen Forschungsgegenstand und die damit verbundene Eingrenzung der Fragestellungen sind unsere Studierenden in den ersten beiden Forschungsphasen (Identifikation eines Forschungsgegenstandes und Findung einer Forschungsfrage) weniger frei in der Themenfindung und erhalten von uns einen Rahmen.

Die Veranstaltung beginnt mit einem Einführungsvortrag, in dem Herr Wolf das von uns gewählte Forschungsthema vorstellt, einordnet und Fragen der Studierenden beantwortet. Anschließend werden studentische Teams gebildet, die verschiedene Teilaspekte des Themas (in diesem Semester Lieferketten zu ausgewählte Zukunftstechnologien) erforschen. Darauf aufbauend folgt ein Theorieblock, in dem sich die Studierenden in einem Flipped-Classroom-Modell die Grundlagen des Themenkomplexes durch Video-Inputs von mir zuhause erarbeiten und wir diese gemeinsam im Seminar diskutieren. Zur zusätzlichen Vertiefung bereiten die verschiedenen studentischen Teams unterschiedliche Themen auf und präsentieren diese im Seminar. Diese Phase nimmt etwa ein Drittel der Veranstaltung ein.

Nach dem Theorieblock beginnen die Studierenden mit der eigentlichen Forschungsarbeit zu ihrer Fragestellung. Im Mittelpunkt der Forschungstätigkeit steht (wie in der volkswirtschaftlichen Forschung üblich) die eigenständige Literaturrecherche und die Auswertung von Primär- und Sekundärdaten, die die Studierenden über verschiedene Institutionen, Forschungseinrichtungen oder Datenbanken erhalten. Herr Wolf und ich unterstützen die Studierenden, indem wir mit den verschiedenen Teams Sprechstunden vereinbaren. In diesen erhalten die Studierenden sowohl von Herrn Wolf als auch von mir Feedback, Tipps und können sowohl inhaltliche als auch formale Probleme ansprechen. Dabei haben die verschiedenen Forschungsgruppen die Möglichkeit, XXX mal im Semester eine Sprechstunde zu besuchen, in der Herr Wolf und ich dann über einen Zeitraum von XXX die Forschungsprojekte mit den Studierenden diskutieren.

Die Ergebnisse werden sowohl in einer ca. 15-seitigen Hausarbeit als auch in zwei Präsentationsterminen am Ende des Semesters aufbereitet und vorgestellt. Dabei erhalten die Studierenden Feedback von Herrn Wolf, ihren Kommilitonen und mir, was zu einem perspektivenreichen Austausch führt. .

Die Besonderheit des Seminars zeigt sich vor allem im Co-Teaching mit Herrn Wolf. Dadurch können wir aktuelle volkswirtschaftliche Themen im Seminar vertiefen und haben einen Experten zur Seite, der gegebenenfalls auch meine Wissenslücken schließen kann. Außerdem erfahren die Studierenden durch die gemeinsame Beratung eine höhere Wertschätzung ihrer Forschungsarbeit und ich werde gleichzeitig beim Feedbackgeben entlastet und lerne andere Perspektiven kennen. Darüber hinaus erhalte ich von Herrn Wolf auch detaillierte Hinweise zu den Präsentationen und Hausarbeiten der Studierenden, die ich in die Notenvergabe einfließen lassen kann. Herr Wolf profitiert wiederum vom Co-Teaching, da er seine Forschungsthemen in eine Lehrsituation einbringen kann und durch die studentischen Ausarbeitungen ebenfalls wertvolle Informationen und Vorarbeiten für seine Arbeit (bzw. die seiner Kolleginnen) erhält.

Umfeld

Spannungen

Individuellem & sozialem Lernen

Studentischere Kompetenzentwicklung & Anforderungen des Forschungsprozesses

Veränderten Lehrenden-Rolle & der vorhandenen Lehrtradition

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Die größte Spannung besteht für mich darin, dass die Studierenden oft Schwierigkeiten haben, die Bedeutung der theoretischen Auseinandersetzung für den Forschungsprozess zu verstehen und diesen Teil des Seminars oft etwas stiefmütterlich behandeln. Diese Spannung entsteht vermutlich dadurch, dass Herr Wolf und ich den thematischen Schwerpunkt des Seminars bereits vorgeben. Dadurch sehen die Studierenden vermutlich weniger Anlass, sich mit den theoretischen Grundlagen auseinanderzusetzen, als wenn sie sich selbst einen Forschungsgegenstand und eine Fragestellung erarbeiten müssten. Dieses Spannungsfeld versuche ich derzeit aufzulösen, indem die Studierenden sozusagen einen Teilnahmenachweis in Form eines Kurzreferates zu bestimmten theoretischen Aspekten erbringen müssen. Durch dieses Vorgehen stelle ich fest, dass sich die Studierenden intensiver mit den theoretischen Grundlagen auseinandersetzen und diese auch besser in ihre spätere Forschungstätigkeit einbringen können. Allerdings entsteht dadurch auch ein Widerspruch, denn eigentlich möchten Herr Wolf und ich die Selbständigkeit und das eigene Forschungsinteresse der Studierenden fördern und eine intrinsische Motivation der Studierenden für volkswirtschaftliche Themen wecken. In diesem Zusammenhang erlebe ich also auch eine widersprüchliche Situation in meiner Rolle als Lehrender: So möchte ich den Studierenden gerne Freiräume geben und mehr beratend tätig sein, merke dann aber (z. B. an der fehlenden intrinsischen Motivation der Lernenden), dass ich wieder in eine Kursleitung zurückfalle, die die Studierenden extrinsisch motivieren muss (z. B. durch die Vergabe von Kurzreferaten).

Neben diesem Spannungsfeld gibt es natürlich auch immer wieder widersprüchliche Situationen innerhalb der studentischen Forschungsgruppen, die sich vor allem in unterschiedlichen Motivationen oder Arbeitsweisen der Studierenden äußern. Diese halten sich jedoch in Grenzen und sind bei Gruppenarbeiten grundsätzlich vorhanden.

Umfeld

Wirkung

Förderung forschender Neugier

Erkennen von Zusammenhängen von Studieninhalten

Anknüpfung an bestehende Forschung

Zusammenarbeit mit externen Projektpartner:innen

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Eine intendierte Wirkung war, dass die Studierenden die praktische und gesellschaftliche Relevanz volkswirtschaftlicher Forschung verstehen und ihr Forschungsinteresse an diesem Thema geweckt wird. Vor allem durch das Format des forschenden Lernens und die Inputs von Herrn Wolf scheint diese Wirkung eingetreten zu sein. So wurde den Studierenden durch die Auftaktpräsentation von Herrn Wolf deutlich, dass ihre Forschung einen aktuellen Bezug hat und in der Wissenschaft tatsächlich diskutiert wird. Auch die gemeinsamen Feedbackrunden mit Herrn Wolf gaben den Studierenden das Gefühl, dass nicht nur ich als Seminarleiter an ihrer Forschung interessiert bin, sondern dass es auch einen externen „Auftraggeber“ gibt, der die Forschungsergebnisse als Vorarbeiten nutzen kann. Dadurch fühlten sich die Studierenden mehr wertgeschätzt und sahen eine andere Relevanz in ihrer Arbeit. Dieser Effekt zeigt sich z. B. in recht beeindruckenden Ergebnissen und Präsentationen der Studierenden und darin, dass ich bereits Anfragen für Bachelorarbeiten zum Thema Außenhandel und internationale Verflechtungen erhalten habe, die vermutlich auch auf dieses Seminar zurückzuführen sind..

Ein weiterer Effekt war, dass Herr Wolf und ich große Freude an der gemeinsamen Kooperation haben und er die Analysen der Studierenden auch für seine Arbeit verwenden oder an Kolleg:innen weitergeben kann. Durch die gute Zusammenarbeit haben sich weitere Kooperationen mit Herrn Wolf ergeben. So haben wir zum Beispiel mit Masterstudierenden zur Zukunft des Hamburger Hafens geforscht. Die Unterstützung von Herrn Wolf führt auch zu einer Arbeitsentlastung für mich, die gerade bei einem arbeitsintensiven Format wie dem forschenden Lernen von unschätzbarem Wert ist. So erhalte ich spannende Inputs zu aktuellen Forschungsthemen und werde bei der Betreuung der Studierenden unterstützt.

Flaschenpost
  • Prof. Dr. Stephan Boll
  • HAW Hamburg
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Angebot zum forschenden Lernen findet im Studiengang Außenwirtschaft & Internationales Management statt und zeigt, wie volkswirtschaftliche Forschung in Kooperation mit dem Hamburger Weltwirtschaftsinstitut und dem Centrum für Europäische Politik aussieht.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Flaschenpost
  • Text/Textdokument
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Boll, Stephan (2024). Mit dem Centrum für Europäische Politik über Außenwirtschaft und internationale Verflechtungen forschen. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • > 3. Bachelor Semester
  • Außenwirtschaft & International Business