Umfeld

Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover

Kommunikationswissenschaften, Medienwissenschaften, Sozialwissenschaften

Master-Studierende

Durchführung: mehr als 3-mal

16 CP & 6 SWS

Anzahl der Studierenden 10-25

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen eines Seminars am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover durchgeführt. Es richtete sich an Masterstudierende der Studiengänge Kommunikations- und Medienforschung und Medien und Musik. Ziel des Seminars war es, dass die Studierenden den Forschungsprozess von Anfang bis Ende durchlaufen und eigene wissenschaftliche Studien durchführen. Im Mittelpunkt stand das Konzept der Informationsvermeidung und die Frage, welche Faktoren die Informationsvermeidung beeinflussen und welche Folgen diese hat. Das Seminar bestand aus 15 Teilnehmenden, die sich in vier Gruppen aufteilten. Jede Gruppe hatte die Möglichkeit, eine eigene Forschungsfrage aus der Theorie abzuleiten und empirisch zu überprüfen. Im IJK wird das Forschungsprojekt jedes Semester angeboten, wobei die Themenschwerpunkte wechseln. So wurde z. B. in der Vergangenheit zu Themen wie Unterhaltungserleben in Videospielen, der Bereitschaft zur politischen Partizipation oder der Kriminalitätsberichterstattung geforscht.

Umfel

Grund

Persönliches professionelles Anliegen

Befähigung der Studierenden zum eigenständigen Forschen

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Der Grund für die Einführung des Forschungsprojektes am IJK ist, dass wir den Studierenden schon während des Studiums ermöglichen wollen, einen Forschungsprozess von Anfang bis Ende eigenständig zu bearbeiten. Wir erhoffen uns dadurch, dass die Studierenden zu eigenständigem Forschen befähigt werden und somit auf ihr weiteres Studium (Schreiben der Masterarbeit) und ihre spätere Karriere (z. B. in der Wissenschaft) vorbereitet werden. Das Seminar wurde auch eingeführt, um die Studierenden für das eigene Forschen und ihr Fach zu begeistern. Für mich als Lehrende ist an diesem Seminarformat besonders interessant, dass auch ich durch wechselnde Schwerpunkte immer wieder Neues lerne und verschiedene Themen vertiefen kann. Außerdem bieten sich die qualitativ hochwertigen Projekte der Studierenden häufig an, auch nach dem Seminar mit den Studierenden daran weiterzuarbeiten und beispielsweise eine gemeinsame Veröffentlichung anzustreben.

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang

in eine Veranstaltung eingebettet

curricular verankert & verpflichtend

Forschungsprozess: systematisch angeleitet

Feedback: Peers & Lehrende

Forschungsergebnisse: intern & teilweise öffentlich

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Das Seminar war in verschiedene Phasen unterteilt. Jede Phase stellte einen Teil des Forschungsprozesses dar. Dabei sollten die Studierenden immer ihr eigenes Projekt verfolgen und gleichzeitig den anderen Gruppen Peer-Feedback geben. In der ersten Phase gab ich gemeinsam mit meinen Kolleg:innen einen Input zum Thema Informationsvermeidung. Danach hatten die Studierenden einige Wochen Zeit, sich mit Fachliteratur und Theorien zur Informationsvermeidung auseinanderzusetzen und Forschungsfragen zu entwickeln. Diese Forschungsfragen stellten sie in einer Sitzung im Rahmen einer Posterpräsentation vor und diskutierten die verschiedenen Forschungsfragen und Hypothesen. Beispiele für die entwickelten Fragen sind: Wie wirken sich Selbstaffirmationen auf die Informationsvermeidung aus? Inwiefern nutzen Menschen intentionale Nachrichtenvermeidung, um affektive und kognitive Konsequenzen eines News Overloads zu verhindern? Anschließend hatten die Studierenden mehrere Wochen Zeit, sich eine methodische Umsetzung zur Beantwortung der Forschungsfragen und Hypothesen zu überlegen und diese erneut vor dem gesamten Seminar zu präsentieren. Nach einer Machbarkeitsdiskussion erhielten die Studierenden Zeit, ihr methodisches Vorgehen mit verschiedenen Feedbackschleifen zu überarbeiten. Anschließend wurden die Analysestrategien der einzelnen Gruppen im Seminar vorgestellt und erneut mit allen Kursteilnehmer:innen diskutiert. Während des Prozesses verfassten die Studierenden Hausarbeiten, die jeweils den gerade bearbeiteten Prozess (z. B. Forschungstand oder Methode) abbildeten. Am Ende stand eine Präsentation der Ergebnisse. Darüber hinaus hatten die Studierenden die Möglichkeit, ihre Ergebnisse bei der Jahrestagung der International Communication Association (ICA) in Toronto einzureichen und dort zu präsentieren. Dieses Angebot wurde von einer Gruppe genutzt.

Spannungen

Fachlicher und überfachlicher Kompetenzentwicklung

Kompetenzentwicklung und Anforderungen des Forschungsprozesses

Studentischer Heterogenität und Gerechtigkeitsfragen

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Bei der Durchführung des Seminars gab es verschiedene Herausforderungen und Widersprüche. Um das Ziel zu erreichen, dass alle Studierenden im Rahmen des Seminars einen vollständigen Forschungsprozess durchlaufen können, war ein straffer Zeitplan notwendig. Es war herausfordernd, diesen Zeitplan einzuhalten und gleichzeitig genügend Raum zu lassen, um zu diskutieren und neu zu justieren. Hier zeigt sich ein Spannungsfeld zwischen hohem wissenschaftlichem Anspruch einerseits und pragmatischen Entscheidungen andererseits. Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass die Masterstudierenden sehr unterschiedliche Kompetenzen aus ihrem Bachelorstudium mitbrachten. Für manche Studierenden waren z. B. theoretisches Arbeiten, empirische Methoden und statistische Auswertungen kein Problem, andere hatten hier noch wenig Kenntnisse. In diesem Zusammenhang war es nicht immer einfach, eine Balance zu finden. So war es für mich als Lehrende manchmal schwierig, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Studierenden einzugehen und allen immer gerecht zu werden. Die unterschiedlichen Kompetenzen führten auch dazu, dass sich einige Studierende viel intensiver mit Methoden auseinandersetzen mussten oder viel länger brauchten, um eine Theorie zu verstehen. Dies hat mich im Hinblick auf den formalen Umfang des Seminars etwas beunruhigt. Da die Studierenden aber im weiteren Verlauf ihres Studiums und auch in ihrer (wissenschaftlichen oder beruflichen) Karriere immer wieder mit unterschiedlichen Wissensständen und Kompetenzen konfrontiert sein werden, empfand ich diese Spannung auch als eine wichtige Erfahrung für die Studierenden. Insgesamt war es für die Studierenden sicherlich ein Wechselbad der Selbstwirksamkeitserfahrungen, wenn sie z. B. ihre Studien über einen Panelanbieter ins Feld geben konnten, gleichzeitig aber ihrem Zeitplan hinterherhinkten, weil sie bis zur nächsten Sitzung auch noch ihren Methodenteil für die Hausarbeit schreiben mussten. In der Wissenschaft sind diese Gefühle und Erfahrungen jedoch jedem Forscher und jeder Forscherin bekannt, weshalb ich es für wichtig halte, dass die Studierenden ein realistisches Bild davon bekommen, was es bedeutet, selbst zu forschen.

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben studentischer Neugier

Anknüpfung an bestehende Forschung

Erwerb von methodischen Kenntnissen

Auseinandersetzung mit Fachliteratur

Erkennen von Zusammenhängen zwischen Studieninhalten und Berufsleben

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Die wichtigste intendierte Wirkung war, dass die Studierenden den gesamten Forschungsprozess durchlaufen und kennenlernen, da sie in anderen Seminaren oft nur Teilaspekte bearbeiten. Es ging uns also primär darum, den Studierenden einen 360° Einblick in eigene Forschungsprojekte inklusive ihrer Herausforderungen zu geben. Das Durchlaufen der einzelnen Forschungsphasen ist zweifellos gelungen, war aber wie oben beschrieben auch mit unerwarteten Herausforderungen oder Spannungen verbunden, die wir so nicht intendiert hatten. Insgesamt konnten unsere Studierenden durch das Seminar den Forschungsprozess mit seinen Chancen und Fallstricken sehr gut kennenlernen und kritisch reflektieren.

Neben diesem Aspekt war ein weiterer intendierter Einfluss die Stärkung des Zusammenhalts in den verschiedenen studentischen Forschungsgruppen. So hatte sich jede Gruppe ihr Forschungsprojekt wirklich zu eigen gemacht und war Feuer und Flamme für die eigene Idee. Diese starke Begeisterung für das eigene Projekt und der interne Gruppenzusammenhalt führten jedoch auch zu dem Wunsch, sich von den anderen Gruppen abzugrenzen. Dies führte teilweise zu Konkurrenzsituationen zwischen den Studierenden des Seminars, die so nicht beabsichtigt waren.

Flaschenpost
  • Dr. Jule Scheper
  • Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Angebot zum forschenden Lernen findet im Rahmen eines Seminars des Instituts für Journalistik und Kommunikationsforschung statt. Dabei durchlaufen die Studierenden den gesamten Forschungsprozess und setzen sich inhaltlich mit dem Thema Informationsvermeidung auseinander.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Flaschenpost
  • Text/Textdokument
  • Deutsch
  • CC BY NC SA (Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Scheper, J. (2024). Determinanten und Konsequenzen von Informationsvermeidung. Insel der Forschung:: Beispiele & Good Practices.
  • Studieneingangsphase Master (1.-2. Semester) | > 3. Master Semester
  • Kommunikationswissenschaften, Medienwissenschaften, Sozialwissenschaften