Umfeld

Humboldt-Universität zu Berlin, Geistes-, Wirtschafts- & Kulturwissenschaften

12 Master-Studierende

Durchführung: 1-mal, 12 CP & 4 SWS

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Das Seminar fand an der Humboldt-Universität zu Berlin statt und richtete sich an Masterstudierende der Philosophie und verwandter Fächer (Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Kulturwissenschaften). Es war im Wahlbereich verankert und die Studierenden konnten sich die dort erbrachten Leistungen anrechnen lassen. Im Mittelpunkt stand die eigenständige Erforschung des Themenfeldes Solidarische Ökonomie in Berlin und die Veröffentlichung der Ergebnisse in einem Sammelband. Da bei dieser Seminarform eine intensive und produktive Zusammenarbeit sehr wichtig ist, wurde die Teilnehmer:innenzahl auf 20 Studierende begrenzt, die sich mit einem Motivationsschreiben um einen Platz bewarben.

Umfeld

Grund

Persönliches professionelles Anliegen

Impuls aus meinem Umfeld

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Ich war neugierig, das Format der forschenden Lehre, das ich in der hochschuldidaktischen Weiterbildung kennengelernt hatte, in der Praxis auszuprobieren. Das Thema Solidarische Ökonomie bot sich für solch ein Experiment an, weil es zu diesem Zeitpunkt wenig, bis keine philosophische Forschung dazu gegeben hat. Das Seminar fand im Rahmen eines Drittmittelprojektes statt, so dass ich über die zeitlichen und finanziellen Ressourcen (Kosten für die Publikation, Beschäftigung einer SHK für Endkorrektur, Endformatierung der Texte) verfügt habe, um das Seminar in der Intensität durchzuführen.

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang & in eine Veranstaltung eingebettet

Curricular verankert & optionales Angebot

Forschungsprozess: selbstorganisiert

Feedback: Peers & Lehrende

Forschungsergebnisse: öffentlich

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Mein Angebot zum forschenden Lernen gliederte sich in drei Phasen. In der ersten Phase setzten wir uns zunächst theoretisch mit Begriffen wie Solidarität, Lebensform und Wirtschaftspraxis auseinander und entwickelten so das sozialphilosophische Rüstzeug, um zu einem positiven, sozialphilosophisch informierten Begriff Solidarischer Ökonomie zu gelangen. Dabei brachten die Studierenden und ich unterschiedliche theoretische Zugänge ein, wie z.B. das Buch Hegemonie und radikale Demokratie von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, Hannah Arendts Werk Vita Aktiva oder Peter Ulrichs Überlegungen zu einer Integrativen Wirtschaftsethik. Gemeinsam diskutierten wir die theoretischen Ansätze im Hinblick auf Solidarische Ökonomie und bauten uns so die theoretische Basis, um uns anschließend mit realen Phänomenen dieser Wirtschaftsform zu beschäftigen.

Nach der Phase der theoretischen Auseinandersetzung traten die Studierenden in Kleingruppen (2-3 Personen) oder alleine mit Akteur:innen, Institutionen und Orten Solidarischer Ökonomie in Berlin in Kontakt und konnten so ihr theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen verknüpfen und abgleichen. Dabei waren die Studierenden selbst für die Auswahl der Forschungsfrage, der theoretischen Grundlagen und des Phänomens der Solidarischen Ökonomie verantwortlich. Eine Forschungsfrage war beispielsweise, inwieweit Hannah Arendts Überlegungen zu Arbeit und Handeln auf das Phänomen der Solidarischen Ökonomie im Prinzessinnengarten (mobiler öffentlicher Garten) anwendbar sind und eine theoretische Grundlage bieten.

In der dritten Phase ging es dann darum, die gemachten Begegnungen und Kurzporträts von Akteur:innen, Institutionen und Orten Solidarischer Ökonomie in Berlin schriftlich festzuhalten. Die verfassten Texte zählten als benotete Prüfungsleistung und wurden in dem Buch Solidarische Ökonomie als Lebensform veröffentlicht. Ich unterstützte die Studierenden im Schreibprozess, fungierte als Mentor und verfasste die Einleitung des Sammelbandes.

Umfeld

Spannungen

Individuellem & sozialen Lernen

Studentischere Kompetenzentwicklung & Anforderungen des Forschungsprozesses

Arbeitsaufwand & berechneten Zeitaufwand

Veranstaltungsplanung & tatsächlicher Umsetzung

Veränderten Lehrenden-Rolle & der vorhandenen Lehrtradition

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Da in der Veranstaltung ein Forschungsdesiderat bearbeitet wurde, war das Seminar durch einen gemeinsamen Forschungsdiskurs gekennzeichnet, in dem die Studierenden und ich gemeinsam theoretische Anknüpfungspunkte recherchierten und diskutierten. Dadurch konnten die Studierenden einerseits viele eigene Themen und Forschungsgrundlagen einbringen und das Seminar stark mitgestalten.  Andererseits führte die erst zu erarbeitende theoretische Grundlage auch zu Widersprüchen, Orientierungslosigkeit und komplizierten Diskussionen, durch die sich die Studierenden intensiv mit den theoretischen Ansätzen des Seminars auseinandersetzten. Dieser erhöhte Arbeitsaufwand wirkte für manche Studierende teilweise etwas überfordernd und könnte ein möglicher Grund sein, dass eine Studentin das Seminar abgebrochen hat.

Der Schreibprozess und die gemeinsame Diskussion mit den Studierenden über ihre Texte führten zu einer intensiven Auseinandersetzung mit akademischem Schreiben, in der die Studierenden auf das Verfassen von Essays vorbereitet wurden und lernten, was es bedeutet, wissenschaftlich zu publizieren. Diese Erfahrung, so erzählte mir eine Studierende, sei für ihre weitere akademische Laufbahn unglaublich wertvoll gewesen. Sie führte aber auch dazu, dass sowohl die Studierenden als auch ich viel mehr Zeit und Arbeit in das Seminar investieren mussten, als eigentlich vorgesehen war. Das war für die Studierenden sicherlich manchmal frustrierend, half ihnen aber sicherlich dabei, sich selbst als Forschende, als Teil der Lebensform Universität wahrzunehmen.

Umfeld

Wirkung

Interdisziplinäres Arbeiten

Anknüpfung an bestehende Forschung

Zusammenarbeit mit externen Projektpartner:innen

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Ein gewollter Einfluss war die intensive und produktive Zusammenarbeit der Studierenden. Die Studierenden waren sehr motiviert und brachten sowohl unterschiedliche theoretische Ansätze als auch verschiedene Praxisbeispiele der Solidarischen Ökonomie in Berlin in die Kursdiskussion ein. Dadurch erhielten die Studierenden und ich unterschiedliche Einblicke und lernten neue Theorien und Denkweisen kennen. Die Vielfalt der Perspektiven führte jedoch nicht zu Spannungen unter den Teilnehmenden, sondern diese gingen sehr offen und wertschätzend mit den Ideen der anderen um. Dieses Verhalten führe ich zum einen darauf zurück, dass fast alle Studierenden Erfahrungen aus der Philosophie oder der Politischen Theorie mitbrachten und somit mit theoretischer Forschung vertraut waren und sich bereits im Masterstudium an einer Universität mit überaus motivierten und leistungsbereiten Studierenden befanden.

Eine andere Wirkung entfaltete sich durch den Austausch der Studierenden mit Akteur:innen der Solidarischen Ökonomie. Indem die Studierenden den Raum der Universität verließen und sich mit Praktiker:innen auseinandersetzten, erkannten sie Differenzen in Theorie und Praxis. Dies führte zu einer Reflexion darüber, inwiefern theoretische Konzepte helfen können, die Realität zu verstehen oder inwiefern sie dazu führen, die Realität zu verkennen. Gerade für Philosoph:innen, denen oft vorgeworfen wird, in einem Elfenbeinturm zu sitzen, war der Austausch mit Praktiker:innen eine wertvolle Erfahrung, durch die neue Perspektiven und Fragestellungen entstanden.

Auch die Tatsache, dass wir unsere Ergebnisse veröffentlichten, hatte einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Projekte und vor allem auf den Schreibprozess. So setzten die Studierenden und ich viel höhere Maßstäbe an die Feldforschung und die daraus resultierenden Texte, als dies in anderen Seminaren der Fall gewesen wäre.

Die Ergebnisse des forschenden Lernens wurden in dem Buch Solidarische Ökonomie als Lebensform. Berliner Akteure alternativen Wirtschaftens veröffentlicht und können hier eingesehen werden.

Flaschenpost
  • Dr. Bastian Ronge
  • Bergische Universität Wuppertal
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Angebot zum forschenden Lernen richtet sich an Geistes- und Sozialwissenschaftler:innen und untersucht auf der Basis von theoretischen Ansätzen und Feldforschung, wie Solidarische Ökonomie in Berlin gelebt wird.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Text/Textdokument
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Ronge, Bastian (2024). Solidarische Ökonomie & forschendes Lernen. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • Studieneingangsphase Master (1.-2. Semester) | > 3. Master Semester
  • Geistes- und Sozialwissenschaften