Umfeld

Universität Hamburg, Ethnologie, Geographie, Geschichte, Linguistik, Literatur, Politikwissenschaften und Soziologie, Interdisziplinär, Regionalwissenschaften

10-14 Master- und Bachelor-Studierende

Durchführung: mehr als 3-mal,  30 LP für das Auslandssemester und 4 LP für die Vor- und Nachbereitung in Form von Seminaren

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Das von uns praktizierte Format der Lehrforschungsreisen in Lateinamerika findet im Rahmen der BA-Nebenfach- und MA-Studiengänge der Lateinamerika-Studien der Universität Hamburg statt. Diese werden fachwissenschaftlich durch sieben Disziplinen getragen: Ethnologie, Geographie, Geschichte, Linguistik, Literatur, Politikwissenschaften und Soziologie. In diesem Erfahrungsbericht wird der Fokus auf das Master-Programm gelegt.

Unsere Lehrforschungsreisen sind ein optionales Angebot und können genutzt werden, um den obligatorischen Auslandsaufenthalt des Masterprogramms und den damit verbundenen Erwerb von 30 Credits zu erfüllen. Mit der Teilnahme an einer Lehrforschungsreise durchlaufen die Studierenden somit ein Format des forschenden Lernens unter Anleitung und persönlicher Betreuung durch Lehrende. Die eigenständige empirische Forschung ist dabei als Grundpfeiler der Veranstaltung zu verstehen. Kern des Lernformats ist, dass die Studierenden mit ihren unterschiedlichen (disziplinären) Vorkenntnissen und theoretischen Zugängen eigenständig forschen und dabei lernen, was es heißt, empirische Erhebungen im Ausland durchzuführen. Die Lehrforschungsreise bietet somit die Möglichkeit, im Verlauf des Studiums theoretisch erworbene thematische, methodische und methodologische Kenntnisse, sowie einen Modus des kritischen Hinterfragens und Reflektierens in der empirischen Praxis umzusetzen und zu vertiefen.

Darüber hinaus können andere Studierende die Reise im Rahmen ihrer jeweiligen Forschungsmodule nutzen, sofern Plätze frei sind, oder am reinen Exkursions- und Kooperationsteil der Reise teilnehmen, um Einblicke in den akademischen Sektor und gesellschaftliche Dynamiken der jeweiligen Länder zu gewinnen und selbst in Austausch zu treten.

Umfeld

Grund

Persönliches professionelles Anliegen

Impuls aus meinem Umfeld

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Der Hauptgrund für die Einführung der Lehrforschungsreisen war, dass die MA-Studierenden zwar in ihrem Einführungsmodul erste Erfahrungen im forschenden und interdisziplinären Arbeiten sammeln, diese aber nicht mit eigener Feldforschung in Lateinamerika verbunden sind. Unsere Lehrforschungsreisen setzen hier an und ermöglichen den Studierenden auf dem zeitlich relativ kurzen Weg zur MA-Thesis (der MA-Studiengang ist auf eine Regelstudienzeit von 4 Semestern ausgelegt), in einer studentischen Forschungsgruppe und unter wissenschaftlicher Betreuung selbstständig ein eigenes Forschungsprojekt zu entwickeln und während eines mehrmonatigen empirischen Forschungsaufenthaltes in Lateinamerika umzusetzen. Ziel unseres Angebotes zum forschenden Lernen ist es, dass die Studierenden durch diese Veranstaltung tatsächlich mit der sozialen Realität in Lateinamerika konfrontiert werden und sich dadurch Themen ganz anders aneignen können, ihre Forschung tiefer reflektieren und diese auch einen Praxisbezug erhält. Durch das Lernformat verlassen die Studierenden die universitäre Komfortzone, wodurch ihre Forschung nicht nur einen Realitätsbezug, sondern auch eine höhere gesellschaftliche Relevanz erhält.

Neben diesen inhaltlichen Gründen spielt auch unsere eigene Studienerfahrung eine wichtige Rolle. Wir haben während unseres Studiums selbst an Formaten des forschenden Lernens teilgenommen und diese als Studierende und Forschende als sehr bereichernd empfunden. Zum einen, weil wirklich gelernt und verstanden wurde, wie theoretische Ansätze und empirische Forschung zusammenhängen, bis hin zu eigener Theoretisierung. Zum anderen, weil man in diesem Rahmen noch Fehler im Forschungsprozess machen konnte, die nicht so gravierende Folgen hatten wie z. B. in einer Diplomarbeit und man natürlich auch aus diesen Fehlern lernen konnte. Diese positiven Erfahrungen möchten wir durch die Lehrforschungsreisen an unsere Studierenden weitergeben.

Umfeld

Umsetzung

Länger als ein Semester  & in eine Veranstaltung eingebettet

Curricular verankert & optionales Angebot

Forschungsprozess: abhängig vom individuellen Projekt

Feedback: Peers, Lehrende & externe Personen

Forschungsergebnisse: teilweise öffentlich

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Unser Format der Lehrforschung findet unter einem gemeinsamen Oberthema in einem lateinamerikanischen Land bzw. Region statt und ist in drei Phasen gegliedert.

Phase I mit vorbereitendem Seminar: Da es sich bei den Lehrforschungsreisen um ein freiwilliges Angebot handelt, das vor Ort immer in Kooperation mit Lehrenden verschiedener Fachrichtungen durchgeführt wird, ist die Absprache zu Beginn besonders wichtig. Die Planung der individuellen Projekte beginnt daher bereits im ersten Fachsemester in Absprache zwischen Studierenden und den Lehrenden, die das Lehrformat anbieten. Dieser Zeitpunkt ist deshalb so früh gewählt, damit einerseits Fristen für die Beantragung von Stipendien eingehalten und zum anderen die einzelnen Vorhaben untereinander abgestimmt werden können.

Am Ende des ersten Semesters findet das erste Treffen der Studierenden statt, die eine Teilnahme anstreben. Gemeinsam werden Projektideen ausgetauscht und ein Konzept entwickelt. Beispiele für Forschungsthemen in diesem Zusammenhang waren in der Vergangenheit: Der Einfluss von Medien auf die Wahrnehmung von Migrant:innen. Sogenannte Rückkehrmigration als Teil transnationaler Migrationszusammenhänge. Digitale Nomaden in Mexiko-Stadt. Strategien zur Prävention sexueller Belästigung durch gezielte Kommunikation im Rahmen öffentlicher Kampagnen. Förderung politischer Partizipation durch von Migrant:innen gegründete Sportvereine in Chile. Soziale Bewegungen im Widerstand gegen entwicklungspolitische Mega-Projekte. Quotenregelungen im brasilianischen Universitätssystem als Mittel gegen soziale Ungleichheit?

Im zweiten Semester (Sommersemester) finden vorbereitende Seminare statt, ein methodologisches und ein inhaltliches (im Sinne einer Regionalanalyse), das für die Teilnahme am Lehrforschungsprojekt verpflichtend ist. Auf der Grundlage der dort erarbeiteten Projektideen wird das Forschungsdesign entwickelt, wobei die Studierenden von den betreuenden Lehrenden Feedback erhalten. Außerdem werden in dieser Phase die Reise geplant und Stipendien beantragt, die sowohl in Gruppen als auch individuell angefordert werden können. Die Organisation der Reise erfolgt mit Unterstützung der Lehrenden, die dazu auch das Kooperationsprogramm organisieren.

Phase II – Erhebungsphase im Feld: Die zweite Phase des Lernformats umfasst den Auslandsaufenthalt in Lateinamerika, in dem die Studierenden in die empirische Feldforschung einsteigen. Diese ist einerseits dadurch gekennzeichnet, dass die Planungen des Vorbereitungsseminars in die Praxis umgesetzt werden. So werden beispielsweise Interviewpartner:innen gesucht und geeignete Bereiche für Beobachtungen und weiteren Austausch. Dazu werden idealerweise bereits im Vorlauf mögliche Feldzugänge organisiert. Andererseits ergeben sich in dieser Phase häufig unvorhergesehene Ereignisse. Zum Beispiel erhalten die Studierenden durch eine zufällige Begegnung oder einen spontanen Austausch neue Impulse, die wiederum neue Forschungsmöglichkeiten eröffnen und in den Forschungsprozess integriert werden müssen. Daher ist diese Phase häufig von Spontaneität und Zufall geprägt und erfordert von den Studierenden Offenheit und Anpassungsfähigkeit.

Zu Beginn der Feldforschungsphase werden gemeinsam die gastgebenden Institutionen besucht, um Kontakte zu knüpfen, die eigenen Projektideen zur Diskussion zu stellen und die Vorhaben insgesamt einzubetten. In der Regel werden hier auch Informationen über mögliche konkrete Forschungsfelder ausgetauscht. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Austausch mit Studierenden, insbesondere falls es geteilte Forschungsinteressen gibt. Idealerweise sollen daraus studentische Kooperationen entstehen. Im Anschluss beginnt die selbstständige Forschung in den eigenen Feldern, die einen ethnographischen Charakter haben und mindestens drei Monate dauern sollen. Später finden immer wieder Treffen innerhalb der Gruppe statt, bei denen der aktuelle Forschungsprozess reflektiert und vorläufige Erkenntnisse wie auch auftauchende Probleme besprochen werden können. In dieser Phase stehen auch die betreuenden Lehrenden für entsprechende Beratung bereit. Bevor die Forschungsreise endet, sollten die ersten Ergebnisse den akademischen Ansprechpartner:innen vor Ort vorgestellt und mit ihnen diskutiert werden.

Phase III – Auswertungsseminar: Im Anschluss an den empirischen Aufenthalt ist im Wintersemester ein weiteres Seminar verpflichtend, in dem das gesammelte Material in Teilen gemeinsam ausgewertet wird und die individuellen oder in thematisch passenden Kleingruppen vorgenommenen Analysen in der Gesamtgruppe vorgestellt und diskutiert werden. Auf dieser Grundlage wird der Forschungszyklus mit zwei Leistungen abgeschlossen:

a) Es muss über die Lehrforschung ein ca. 25-seitiger Forschungsbericht angefertigt werden, dessen Fokus auf den analytischen Schlüssen liegt. Die formalen Vorgaben werden unter Berücksichtigung der beteiligten Disziplinen im Seminar abgesprochen.

b) Die Studierenden beteiligen sich an der Abfassung eines gemeinsamen Abschlussberichts und bereiten eine universitätsöffentliche Präsentation vor. Die einzelnen Beiträge zu dem gemeinsamen Abschlussbericht sollen ca. zehn Seiten umfassen und in angemessener wissenschaftlicher Weise die Ergebnisse der Forschungen wiedergeben. Sie werden, ergänzt um Einleitung und Fazit, zu einem Gesamttext zusammengefasst und digital veröffentlicht.

Die Lehrforschung führt pauschal zum Erwerb von 30 LP und kann also als Alternative zu dem obligatorischen Auslandssemester im Master-Programm gewählt werden.

Umfeld

Spannungen

Individuellem und sozialem Lernen

Studentischere Kompetenzentwicklung und Anforderungen des Forschungsprozesses

Einzelnen Phasen und dem gesamten Forschungsprozess

Veränderter Lehrenden-Rolle und der vorhandenen Lehrtradition

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

In der Vorbereitungsphase besteht eine Herausforderung für die Studierenden darin, die verschiedenen Aufgaben zu organisieren und die Forschungsvorhaben der anderen Studierenden zu verstehen. Vor allem fällt es einigen Teilnehmenden in dieser ersten Phase noch schwer, zwischen individuellem und sozialem Lernen zu wechseln oder sich überhaupt auf soziales Lernen einzulassen. Diese Spannung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich unser Angebot an verschiedene Studiengänge richtet und die Studierenden durch ihre Fachdisziplinen geprägt sind. Durch den interdisziplinären Austausch erkennen sie Unterschiede in den Forschungsmethoden oder Herangehensweisen, was einerseits ihren Horizont erweitert, andererseits aber auch von den Studierenden verlangt, neue Perspektiven einzunehmen.

Die zweite Phase ist grundsätzlich durch Intensität gekennzeichnet, die zu unterschiedlichen Spannungen führen kann. Diese Spannungen werden hier anhand einiger Beispiele illustriert: Intensiv ist das Lernformat vor allem deshalb, weil sowohl Studierende als auch Lehrende gemeinsam auf eine Auslandsreise gehen, wodurch sie natürlich viel mehr Zeit miteinander verbringen und Erfahrungen außerhalb des universitären Lernens und Lehrens im klassischen Sinne machen. Dadurch gehen Studierende und Lehrende viel vertrauensvoller und offener miteinander um und lernen die Projekte, aber auch die Menschen dahinter, von einer ganz anderen Seite kennen. Wir Lehrende verlassen in der zweiwöchigen Begleitung der Studierenden in Lateinamerika gelegentlich auch unsere Position als Lehrende und werden selbst zu Lernenden. Das ist einerseits eine wertvolle Erfahrung und kann andererseits auch herausfordernd sein. Wichtig ist uns deswegen, dass wir die gemachten Erfahrungen gemeinsam mit der Gruppe der Studierenden offen reflektieren.

Darüber hinaus erfahren die Studierenden untereinander in dieser Phase, was es heißt, sozial und interdisziplinär zu forschen. So absolvieren die Studierenden z. B. in den ersten beiden Wochen der Forschungsreise ein Programm, bei dem sie unter unserer Anleitung ihre Projektideen verschiedenen Expert:innen im lateinamerikanischen Kontext vorstellen. Die Studierenden beobachten sich gegenseitig kritisch bei den Präsentationen, tauschen Datenmaterial aus und berücksichtigen die Bedürfnisse der anderen, z. B. bei der Suche nach Interviewpartner:innen für das eigene Projekt. Ebenfalls bilden sich in diesen zwei Wochen in Lateinamerika immer auch studentische „Wohngemeinschaften“, was einen Austausch mit den anderen Teilnehmer:innen fast rund um die Uhr weiter unterstützt. Diese intensive Zusammenarbeit beflügelt die Studierenden in ihrer Forschung, führt aber auch dazu, dass sie sich ständig mit ihrem Projekt auseinandersetzen müssen, was viel Energie kostet.

Auch die eigentliche Feldforschung in Lateinamerika ist sehr intensiv, weil Studierende und Lehrende einen für viele der Teilnehmer:innen wirklich neuen Lebens- /Forschungsraum betreten, immer wieder mit der sozialen Realität konfrontiert werden und es bspw. zu alltäglichen Irritationen kommt, die eine viel tiefere Reflexion anregen, als es in rein theoretischen Seminaren der Fall ist. So nehmen die Studierenden in der zweiten Phase vielfach wahr, dass sich die Vorstellungen über die Feldbedingungen und die -zugänge, die sie in der ersten Phase durch die Lektüre von entsprechenden Forschungsarbeiten und anderen Informationsquellen gewonnen haben, nicht immer mit der vorgefundenen Wirklichkeit decken. Sie sind dann gezwungen daraus und aus anderen Irritationen und Missgeschicken zu lernen und mithilfe gedanklicher Flexibilität und Kreativität Lösungen zu finden. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls das Thema der Spontaneität und der zufälligen Begegnungen zu nennen. Dieses erfordert ein Umdenken und flexibles Handeln bei den Studierenden, was für die Projekte durchaus bereichernd sein, aber auch zu Frustrationen führen kann und die Frage aufwirft, wie der bereits geplante Forschungsprozess modifiziert werden kann, um bestimmte Erfahrungen zu integrieren.

Daneben entstehen durch die o.g. Konfrontation mit der Situation vor Ort auch Spannungen, die sich auf den Umgang mit der sozialen Realität der Menschen in den entsprechenden Feldern beziehen. Zuvor häufig nur theoretisch erörterte Kontexte in denen soziale Akteure desprivilegiert, diskriminiert oder drangsaliert werden sind plötzlich höchstpräsent und quasi zu greifen und zu spüren. Eher abstrakte Konzepte bekommen somit einen realen empirischen Gehalt, was erfahrungsgemäß irritierend und anstrengend sein kann. Zudem kommt es bezogen auf als Minderheiten angesehene oder von sozialer Ungleichheit betroffene Gruppen wie Migrant:innen, Indigene, Afrodescendientes oder von Menschenrechtsverletzungen betroffenen Frauen immer wieder zu Unsicherheiten bei Studierenden, die sich teilweise aufgrund einer als privilegiert wahrgenommenen Position gehemmt fühlen. Diese Erfahrungen münden idealerweise in einer umfassenden Reflektion kolonial geprägter Machtverhältnisse und global gültiger Hierarchisierungen in die wir alle eingebunden sind. Während diese im üblichen Alltag oft ausgeblendet werden können, findet während einer solchen Reise meist eine deutliche Konfrontation mit der Tragweite dieser Verhältnisse und eine Reflektion statt, die auch durch das Rahmenprogramm und Diskussionen innerhalb der Gruppe befördert wird.

Ein weiterer Aspekt, der hier angesprochen werden sollte, ist der organisatorische Aufwand sowohl für die Lehrenden als auch für die Studierenden. Denn derartige Projekte erfordern viel Zeit für administrative Tätigkeiten. Eine besondere Herausforderung stellt die Beschaffung der finanziellen Mittel dar. Diese müssen jährlich in Form von Stipendien oder Auslands-BAföG beantragt und durch die Teilnahme an entsprechenden Ausschreibungen der UHH eingeworben werden. Dies ist ein sehr aufwändiger Prozess, der von den potenziellen Teilnehmenden und den Lehrenden viel Geduld erfordert. Agenden können erst festgelegt, Flugtickets erst gebucht werden, wenn die Finanzierung gesichert ist. Nicht selten sind Studierende von der Forschungsreise zurückgetreten, weil sie zu früh Gewissheit über Reisedaten und -bedingungen haben mussten, um ihre studienfinanzierende Nebentätigkeit zu sichern oder die mit der relativen Unsicherheit verbundenen Spannungen nicht ertragen konnten.

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben von forschender Neugier

Umgang mit Fehlern und Misserfolgen

Interdisziplinäres Arbeiten

Erwerb von methodischen Kenntnissen

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Durch die oben beschriebene Intensität wirkt sich das Veranstaltungsformat auf die Beziehung zwischen Studierenden und Lehrenden aus. Es entsteht ein intensiverer Austausch, durch den die Studierenden, aber auch Lehrende in einem realen Forschungssetting miteinander agieren und das Forschungsdesign und die Erhebung und nicht Themen wie Prüfungsleistungen in den Vordergrund rücken.

Der interdisziplinäre Austausch zwischen den Studierenden ermöglicht außerdem das Einnehmen neuer Perspektiven und das Kennenlernen von Methoden, die oft eine Lösung für im Forschungsprozess auftretende Probleme sein können. Auf diese Weise lernen die Studierenden, die hochschulpolitisch geforderte Interdisziplinarität zu leben. Der Wert der Lehrforschung zeigt sich somit immer wieder in den Ergebnissen, die einen Lernprozess auf unterschiedlichen Ebenen widerspiegeln, darunter methodologisch und epistemologisch, und weitergehend in sehr guten empirischen Abschlussarbeiten, die teils auch prämiert wurden.

Darüber hinaus erhalten die Studierenden während der Forschungsreise nach Lateinamerika Einblicke, wie Lehrende auf Forschungssituationen reagieren (z. B. auf Interviewpartner:innen zugehen oder Netzwerke aufbauen). Aber auch die Lehrenden bekommen durch die Studierenden neue Impulse, die dann z. B. in anderen Lehrveranstaltungen aufgegriffen werden können. Somit wirkt die Veranstaltung auch auf die Lehrenden zurück und zeigt, wie lebenslanges Lernen gefördert werden kann.

Neben diesem Aspekt führen das Lernformat und der Auslandsaufenthalt zur Vernetzung mit Institutionen, Lehrenden und Studierenden aus Lateinamerika. So sind durch unsere Netzwerkarbeit bereits verschiedene Anschlussprojekte entstanden, z. B. eine Summerschool oder ein gemeinsames Publikationsprojekt mit lateinamerikanischen Partner:innen. Aber auch die Studierenden vernetzen sich und lernen so neben der eigenständigen Forschung einen weiteren wichtigen Aspekt von Wissenschaft kennen.

Neben den Erfahrungen, die sich aus dem praktischen Kontakt und dem Durchlaufen eines kompletten Forschungszyklus ergeben, und dem Erlernen einer flexiblen, offenen Forschungshaltung, liegt ein weitergehender nachhaltiger Lernprozess in der Reflektion bestehender Vorannahmen, Bilder und Stereotype über Lateinamerika und der daraus resultierenden Implikationen für die Interaktion mit sozialen Akteuren in den jeweiligen Kontexten. Idealerweise wird dadurch ein lebenslanger Reflektionsprozess befördert, der bspw. zur Einordnung und Hinterfragung von theoretischen Aussagen in der Forschungsliteratur führt oder zur Anerkennung der Agency und eigener Perspektiven sowie Handlungslogiken von Angehörigen sozialer Gruppen, denen häufig eher Passivität oder gar Rückständigkeit zugeschrieben wird. Dazu gehört auch diese als Forschungssubjekte zu begreifen, mit denen auf Augenhöhe interagiert werden muss. Letztlich wird damit auch ein kleiner Beitrag für eine Demokratisierung von Forschung und den Kampf gegen eurozentrische Vorurteile und Hierarchisierungen im globalen Wissenschaftssystem geleistet.

Die Ergebnisse der Forschungsreisen sind öffentlich und können hier eingesehen werden. Weitere Informationen zu dem Lehrforschungsformat der Lateinamerikastudien Hamburg finden Sie hier im HUL-ProfCast der Universität Hamburg.

Flaschenpost
  • Prof. Dr. Inke Gunia & Dr. Gilberto Rescher
  • Universität Hamburg
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Angebot zum forschenden Lernen richtet sich an Bachelor- und Master-Studierende verschiedener Fachrichtungen, die in und über Lateinamerika forschen.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Text/Textdokument
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Gunia, Inke & Rescher, Gilberto (2024). Forschendes Lernen in Lateinamerika. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • übergreifend
  • Lateinamerika-Studien