Umfeld

Universität Paderborn, Soziologie

15 Master-Studierende

Durchführung: 1-mal,  3-6 CP und 2 SWS

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Mein Angebot zum forschenden Lernen fand an der Universität Paderborn statt. Es handelte sich um ein englischsprachiges Seminar im 2-Fach-Master Kultur und Gesellschaft. Der Schwerpunkt des Seminars lag auf dem Themenkomplex Diversity in the Digital Age. Eine Besonderheit des Seminars war, dass es für Studierende verschiedener Fachrichtungen offen war und somit auch viele Studierende der Medienwissenschaften teilgenommen haben. Darüber hinaus konnten das Seminar auch ausländische Studierende unserer Partneruniversitäten in Estland und der Tschechischen Republik besuchen. Aus diesem Grund wurde das Seminar in englischer Sprache abgehalten und zeichnete sich durch Interdisziplinarität aus. 

Umfeld

Grund

Ein persönliches professionelles Anliegen

Ein Impuls aus meinem Umfeld

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Der Wunsch, forschendes Lernen in meinen Lehrveranstaltungen umzusetzen, ist in meiner eigenen Schulbiographie tief verankert. So wurde in meiner Schule forschendes Lernen umgesetzt, wodurch ich bereits als Schülerin forschend tätig war. Im Studium hatte ich weitere Seminare, die nach dem Prinzip des forschenden Lernens gestaltet waren. Durch diese Erfahrungen habe ich am eigenen Leib erfahren, wie viel mehr man von dieser Art des Lernens mitnimmt und wie viel größer die Motivation bei mir war. Darüber hinaus habe ich als studentische Mitarbeiterin in einem Forschungsprojekt gearbeitet, das Forschendes Lernen in der Oberstufe in Form von Projektwochen konzipiert und umgesetzt hat (weitere Informationen zu diesen Projekten gibt es hier) und konnte so bereits während meines Studiums forschendes Lernen in verschiedenen Kontexten kennenlernen. Darüber hinaus forsche ich auch in meiner Dissertation partizipativ mit Lehrenden und merke dabei immer wieder, wie wichtig es ist, dass Studierende bereits während des Studiums eine forschende Haltung einnehmen.  Aufgrund dieser Erfahrungen war für mich relativ schnell klar, dass ich in meinen eigenen Lehrveranstaltungen (wenn möglich) einen Schwerpunkt auf forschendes Lernen legen möchte. 

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang

In eine Veranstaltung eingebettet

Curricular verankert & verpflichtend

Forschungsprozess: bei Bedarf unterstützt

Feedback: Peers, Lehrende

Forschungsergebnisse: intern

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Zu Beginn des Seminars ging es zunächst darum, die unterschiedlichen Zugänge und Wissensstände der Studierenden zu thematisieren und kennenzulernen. Dies war vor allem aufgrund der interdisziplinären Ausrichtung sehr wichtig und gab mir die Möglichkeit, mir ein Bild von meinen Studierenden und deren Bedürfnissen zu machen. In diesem Zusammenhang haben wir uns in den ersten Sitzungen auch mit theoretischen Grundlagen beschäftigt und die Begriffe Diversität und Digitalität diskutiert. Auf dieser theoretischen Basis wurden dann konkrete Fragestellungen abgeleitet, wobei die Studierenden entscheiden konnten, ob sie sich allein oder in Teams ihrer Forschung widmen wollten. Aufgrund der Heterogenität der Studierenden ergaben sich sehr unterschiedliche Forschungsfragen, die verschiedene Perspektiven auf unser Thema Diversity in the Digital Age einnahmen: So beschäftigte sich zum Beispiel eine Studentin mit den Geschlechterstereotypen in den Antworten von ChatGTP, während sich eine andere Studentin mit der Frage beschäftigte, wie Menschen mit Behinderungen in einem Werbefilm der Universität berücksichtigt werden. Bei der Entwicklung und Schärfung der Fragestellung unterstützte ich, indem ich verschiedene Zugänge zur Literaturrecherche skizzierte und bei der Konkretisierung der Forschungsfragen half. Zentral war vor allem, den Studierenden zu zeigen, wie man eine Forschungslücke findet und eine Forschungsfrage formuliert, die für die eigene Forschung und für Dritte interessant ist und auch von anderen noch nicht untersucht wurde. 
Auch bei der Methodenwahl spiegelte sich die unterschiedliche Sozialisation der Studierenden wider, so brachten die Studierenden unterschiedliche Methodenkenntnisse mit und durften selbst entscheiden, welche Methode sie zur Beantwortung ihrer Forschungsfrage anwenden wollten. Ich habe daher weniger Methoden im Seminarkontext vermittelt, sondern den Studierenden die Wahl überlassen und mit ihnen diese diskutiert bzw. (wenn nötig) nachgefragt oder auf mögliche Probleme hingewiesen. Um den Studierenden ein möglichst passgenaues Feedback zu geben, haben sie mir nach der Theorie- und Methodenphase eine Forschungsskizze vorgelegt, auf deren Basis ich dann noch einmal ein ausführliches Feedback geben konnte. 
Nachdem die Studierenden ihr Forschungsdesign erstellt hatten, begannen sie mit ihrem eigenen Forschungsprozess. Obwohl sie diesen weitgehend selbstständig durchführten, war es mir auch hier wichtig, dass die Studierenden viel Gelegenheit zum Austausch hatten. Deshalb trafen wir uns während der Forschungsphase im Seminar. Dort konnten wir gemeinsam als Kurs über die verschiedenen Forschungsprojekte diskutieren und eine Forschungsgemeinschaft entwickeln. Nach der Forschungs- und Auswertungsphase präsentierten die Studierenden ihre Ergebnisse zunächst in einem Vortrag, in dem sie noch einmal ein abschließendes Feedback von ihren Kommiliton:innen und mir erhielten. Dieses konnten sie dann in die schriftliche Ausarbeitung des Forschungsberichtes einfließen lassen. Sowohl die Präsentation als auch die Hausarbeit waren Teil der Bewertungsgrundlage. 
 
 

Umfeld

Spannungen

Studentische Kompetenzentwicklung und Anforderungen des Forschungsprozesses

Arbeitsaufwand und dem formal berechneten Zeitaufwand für Studierende

Arbeitsvolumen und verfügbaren Ressourcen bei Lehrenden

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Eine Spannung entstand durch die Interdisziplinarität des Seminars, die sich vor allem darin äußerte, dass die Studierenden einen sehr unterschiedlichen Kenntnisstand in Bezug auf wissenschaftliche Methoden mitbrachten. Es gab also keine gemeinsame Basis, die ich voraussetzen und auf der ich aufbauen konnte. Dieses Spannungsfeld haben wir im Seminar teilweise aufgelöst, indem die Studierenden selbst wählen konnten, welche Methoden sie in ihrem Forschungsprojekt anwenden wollten. So konnten sie auf ihren individuellen Methodenfundus zurückgreifen und mussten sich nicht in andere (vor allem quantitative) Forschungsansätze einarbeiten. Allerdings führte dieses Vorgehen dazu, dass ich mich als Lehrende in die verschiedenen Methoden einarbeiten musste, was meinen Arbeitsaufwand erheblich erhöhte. Dies führte im Umkehrschluss zu einem Widerspruch zwischen der formal berechneten Zeit für das Seminar und der tatsächlichen Zeit, die ich in das Seminar investierte. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, halfen mir die regelmäßigen Treffen mit den Studierenden, die es mir ermöglichten, Fragen oder Feedback direkt im Seminar zu geben, ohne zusätzliche Zeit für das Beantworten von E-Mails und Termine aufwenden zu müssen. 
Eine weitere Spannung entstand durch die Öffnung des Seminars für Studierende aus Tschechien und Estland. So hatten einerseits einige Studierende Probleme, die englischen Texte zu lesen oder konnten manchmal der Argumentation nicht so folgen. Auch für die ausländischen Studierenden gab es Schwierigkeiten, weil z. B. ein Methodenbegriff etwas anders übersetzt wurde oder ich natürlich keine weiterführenden Literaturempfehlungen in ihrer Landessprache geben konnte. Andererseits führte die Teilnahme der ausländischen Studierenden zu einem perspektivenreichen Austausch und weckte auf einer sozialen Ebene das Interesse der Studierenden am Seminar. So haben sowohl die Studierenden als auch ich die internationale Öffnung grundsätzlich als sehr bereichernd empfunden. Um die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten abzufedern, habe ich in Einzelgesprächen auf Deutsch gewechselt und sowohl deutsche als auch englische Open Educational Ressourcen und Selbstlernmaterialien zusammengestellt. 

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben von forschender Neugier

Erkennen von Zusammenhängen von Studieninhalten

Anknüpfung an bestehende Forschung

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Die zentrale Wirkung des Seminars war, dass die Studierenden mehr Begeisterung für wissenschaftliches Arbeiten und eigene Forschung entwickelt haben. Sie waren sehr motiviert und haben viel Arbeit in die Beantwortung ihrer Forschungsfragen gesteckt. Die offene Lernumgebung und das eigenständige Forschen haben sich also sehr positiv auf die Studierenden ausgewirkt. Aber auch ich wurde durch das Prinzip des forschenden Lernens und die Begeisterung der Studierenden motiviert und merkte, wie sich meine Lehrtätigkeit in eine beratende Rolle wandelte, was mir sehr gut gefiel.  
Neben diesem Effekt ist auch ein Peer-Netzwerk entstanden, in dem sich die Studierenden gegenseitig unterstützen und Feedback geben. Obwohl ich bei der Planung des Seminars auf diesen Effekt gehofft hatte, hätte ich nicht damit gerechnet, dass sich innerhalb des Seminars eine so starke Forschungsgemeinschaft entwickeln würde. Die Studierenden haben sich z. B. auch über das Seminar hinaus getroffen und ihre Freizeit miteinander verbracht, was die soziale Komponente des Seminars noch einmal unterstrichen hat und auch das universitäre Leben gefördert hat.  
Neben diesen beiden sehr positiven Wirkungen hatte das Seminar leider auch den Effekt, dass ich meinen Arbeitsaufwand und die unterschiedlichen Denkweisen und methodischen Herangehensweisen der verschiedenen Studierenden etwas unterschätzt habe. Daher musste ich sehr viel persönliches Engagement in das Seminar stecken, was sich aber durch die Begeisterung der Studierenden auch gelohnt hat. 

Weitere Informationen zu diesem Praxisbeispiel finden Sie in unserem Podcast.   

Flaschenpost
  • Rebecca Schmidt, M.A.
  • Universität Paderborn 
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Angebot zum forschenden Lernen beschäftigt sich mit dem Themenkomplex Diversität und Digitalität und richtet sich an verschiedene Studierende des 2-Fach-Masters Kultur und Gesellschaft an der Universität Paderborn und ist auch für Austauschstudierende aus Estland und Tschechien offen.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Text/Textdokument
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Schmidt, Rebecca (2024). Forschend über Diversität im Zeitalter des Digitalen Lernens. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • Studieneingangsphase Master (1.-2. Semester) | > 3. Master Semester
  • Soziologie