Umfeld

Universität Hamburg, Politikwissenschaft & Soziologie

Circa 20 Bachelor-Studierende

Durchführung: mehr als 3-mal,  8 CP und 2 SWS

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Das Forschungsprojekt fand im Rahmen eines Methoden-Seminars im Bachelor Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Hamburg statt. Das Seminar ist für Bachelor-Studierende dieser Studiengänge verpflichtend und wird von Lehrenden beider Fächer angeboten, wobei die Studierenden in den Seminaren nach Fächern gemischt sind. Begleitet werden die Studierenden außerdem von je zwei Tutor:innen pro Kurs, welche die Studierenden bei der Durchführung ihrer Projekte unterstützen und neben der Lehrenden als zusätzliche Ansprechpartner:innen zur Verfügung stehen. Die Studierenden sind mind. im 2. Semester und sollten im 1. Semester schon eine Vorlesung zur Einführung in die Methodenlehre besucht haben. 
Ziel des Seminars ist es, dass die Studierenden einen kompletten Forschungsprozess von der Entwicklung einer Fragestellung bis zur Präsentation ihrer Ergebnisse durchlaufen und dabei die theoretisch erworbenen Methodenkenntnisse aus der Einführungsvorlesung auffrischen und praktisch umsetzen. 
In dem von mir unterrichteten Kurs haben wir mit Praxispartner:innen gearbeitet, externen Einrichtungen, die über das ROSI der Uni Hamburg an den Kurs vermittelt wurden. Diese Praxispartner:innen sind in der Regel gemeinnützige Vereine oder Organisationen aus der Zivilgesellschaft, die ein allgemeines Forschungsinteresse aus ihrem Feld mitbringen. Die Studierenden im Kurs haben dann Gruppen gebildet und konkrete eigene Forschungsfragen zum Thema der Praxispartner:innen entwickelt und bearbeitet. Dementsprechend können die Forschungsthemen und -fragen sehr unterschiedlich sein und werden immer durch die Zusammenarbeit mit der Praxis inspiriert. 

Umfeld

Grund

Ein persönliches professionelles Anliegen

Ein Impuls aus meinem Umfeld

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Der Kurs ist in der Studienordnung verpflichtend verankert und so konzipiert, um Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihre Methodenkenntnisse praktisch anzuwenden und zu vertiefen.  
Mein Ziel beim forschenden Lernen ist, den Studierenden Spaß am empirischen Arbeiten zu vermitteln und die Zusammenhänge zwischen Studieninhalten, insbesondere zwischen Methoden und Fachinhalten, zu vermitteln. Meine eigene Erfahrung als Studentin und Tutorin in vergleichbaren Kursen hat mir gezeigt, dass Studierende viel aus solchen Kursen mitnehmen können, z. B. das Verständnis für Forschungslogiken und wie Theorie und Empirie zusammenhängen.  
Insbesondere die Arbeit mit den Praxispartner: innen, die im besten Fall Anstöße für das reale Handeln einer Organisation liefern, kann den Studierenden außerdem nicht nur methodische Praxis, sondern auch die gesellschaftliche Relevanz von Forschung über den universitären Kontext hinaus vermitteln und ihnen ein besonderes Selbstwirksamkeitsgefühl geben, da sie ihre Hausarbeit nicht nur „für die Schublade“ schreiben, weswegen ich mich für diese Zusammenarbeit entschieden habe. 

Umfeld

Umsetzung

1 Semester lang

In eine Veranstaltung eingebettet

Curricular verankert & verpflichtend

Forschungsprozess: selbständig organisiert

Feedback: Peers, Lehrende, Externe

Forschungsergebnisse: teilweise öffentlich

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Da es sich um ein verpflichtendes Seminar handelt, wird das Seminar mehrmals von unterschiedlichen Dozierenden aus Politikwissenschaft und Soziologie gleichzeitig unterrichtet. Alle folgen dabei einem ähnlichen, grundlegenden Schema. 
Der Grundablauf dabei ist, dass die Studierenden im Seminar inhaltlichen Input erhalten und dazu parallel in Kleingruppen ihr eigenes Forschungsprojekt entwickeln. Die Arbeit am eigenen Forschungsprojekt findet dabei größtenteils außerhalb der Seminarzeit statt.  
Die ersten Seminarsitzungen beschäftigen sich mit Gruppenbildung, Themenfindung und der Formulierung einer Forschungsfrage sowie Theorie und Hypothesen, dann werden im weiteren Verlauf konkrete Methoden der Datenerhebung und Auswertung besprochen und schließlich auch auf Datenschutz und Forschungsethik eingegangen. Aufgrund der Praxiskooperationen variieren zu bearbeitende Forschungsthemen stark und stehen immer in Bezug zu den Fragestellungen der Praxispartner: innen. Mögliche Forschungsfragen sind z.B., wie sich der Besuch einer außerschulischen Einrichtung auf die sozio-emotionale Entwicklung von hochbegabten Kindern auswirkt oder inwiefern die Bedürfnisse von zugewanderten Menschen in einem Sprachkurs berücksichtigt werden. 
Untergliedert wird der Prozess der Studierenden dabei auch durch regelmäßige Meilensteinberichte und Besprechungen mit den Lehrenden – ca. alle vier Wochen müssen sie einen Bericht über den Stand ihres Projektes abgeben und bekommen darauf schriftlich und/oder mündlich Feedback von den Lehrenden sowie den Tutor: innen.  
Passend zum Fortschritt im inhaltlichen Input, müssen die Studierenden im ersten Meilensteinbericht eine Forschungsfrage und vorläufige Hypothesen abliefern. Mithilfe der Kommentierung können sie diese dann überarbeiten. Im zweiten Meilensteinbericht sollen sie zusätzlich zu dieser Überarbeitung ein Forschungsdesign sowie ein Erhebungsinstrument präsentieren. Der dritte Meilensteinbericht enthält dann eine Überarbeitung davon sowie einen Pretest-Bericht. Nach der Besprechung des dritten Meilensteinberichts gehen die Studierenden in die Feldphase ihrer Projekte. Beim finalen Meilensteinbericht handelt es sich um eine Posterpräsentation ihrer Forschung in der letzten Seminarsitzung, wobei im Idealfall auch schon erste Ergebnisse präsentiert werden. 
Auf Basis dieser Meilensteinberichte schreiben die Studierenden dann ihre finalen Hausarbeiten, welche im Falle der Zusammenarbeit mit Praxispartner: innen über das ROSI veröffentlicht bzw. an diese übergeben werden.  

Umfeld

Spannungen

Selbst- und Fremdorganisation

Individuellem und sozialem Lernen

Studentischer Kompetenzentwicklung und Anfordrungen des Forschungsprozesses

Studentischer Heterogenität und Gerechtigkeitsfragen

Arbeitsvolumen und verfügbaren Ressourcen bei Lehrenden

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Um innerhalb eines Semesters einen gesamten Forschungsprozess zu durchlaufen und regelmäßig Feedback zu liefern, ist ein enger Zeitplan nötig, der sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden vor Herausforderungen stellt und ein hohes Maß an Selbstorganisation der Studierenden erfordert. Gleichzeitig bedarf das Seminar einen hohen Arbeitsaufwand, da regelmäßig Berichte abgeliefert werden müssen. Diese enge Betreuung stellt aber auch eine gute Orientierungshilfe für die Studierenden dar und verhindert, dass sich die noch recht unerfahrenen Forscherinnen und Forscher verirren oder elementare Aspekte übersehen oder verkennen.  
Insbesondere die intensive Arbeit in Gruppen, bei der Studierende mit unterschiedlichen Arbeitstypen und Erfahrungen zusammenkommen, kann hier sowohl zu positiven Synergien als auch Konflikten führen. Im besten Fall nutzen die Studierenden ihre unterschiedlichen Kompetenzen und arbeiten arbeitsteilig, im schlechteren Fall treiben jedoch nur einzelne Studierende das Forschungsprojekt voran, was sich jedoch nicht in der gemeinsamen Endnote widerspiegelt und zu Erfahrungen von Ungerechtigkeit bei den Studierenden führt. Um entstehenden Spannungen (oder Problemen) entgegenzuwirken, ist die studentische Unterstützung durch Tutor:innen sehr hilfreich. Die Tutor:innen können den Studierenden auf niederschwellige Art und Weise zur Seite stehen und helfen, Konflikte oder Ungerechtigkeiten innerhalb der Forschungsgruppe zu lösen. 
Darüber hinaus würde eine fachlich ideale Umsetzung jeglicher Schritte des Forschungsprojektes im vorgegebenen Zeitrahmen gerade für Bachelor-Studierende, die bisher nur wenig Praxis im wissenschaftlichen Arbeiten haben, kaum machbar sein. Der qualitative Anspruch muss daher an einigen Stellen pragmatisch zurückgeschraubt werden, z. B. im Anspruch an die verwendete Literatur und theoretische Grundlage, um die Studierenden nicht zu überfordern. 

 

 

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben von forschender Neugier

Erkennen von Zusammenhängen von Studieninhalten

Anknüpfung an bestehende Forschung

Zusammenarbeit mit externen Projektpartner:innen

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Die Wirkungen des Kurses sind der Erwerb von Fachwissen sowie die Selbstwirksamkeitserfahrung, nicht nur passiv theoretisches Wissen vermittelt zu bekommen, sondern selbst forschen zu können. Gleichzeitig sollen die Studierenden dabei lernen, ihre eigene Arbeit zu reflektieren – beim Lernprozess sollte es nicht darum gehen, alles perfekt zu machen, sondern ehrlich zu reflektieren, welche positiven wie negativen Konsequenzen methodische Entscheidungen für ihren Forschungsprozess hatten und wie ggfs. auf anderem Wege bessere oder andere Ergebnisse gewonnen werden könnten, was sich in den Hausarbeiten auch gut gezeigt hat. 
Darüber hinaus ließ sich ein gesteigertes Maß an Selbstorganisation und Zusammenhalt der Studierenden in ihren Gruppen beobachten. Die Studierenden haben gelernt, Konflikte in ihren Gruppen untereinander auszutragen und ein gemeinsames Forschungsprojekt zu entwickeln. 
Während einige Praxispartner: innen sehr dankbar sind und die Studierenden gerne unterstützen, sind andere eher passiv und bringen sich weniger ein. Grundsätzlich zeigt sich aber, dass die Studierenden auf jeden Fall motivierter sind, ihre Forschung nicht nur für die Lehrveranstaltung, sondern auch für Dritte durchzuführen.  
Ein weiterer persönlicher Effekt war, dass ich als junge Lehrende das forschende Lehren trotz anfänglicher Unsicherheit sehr gut umsetzen konnte und am Ende gemerkt habe, dass viele meiner Sorgen unbegründet waren. Die Gründe dafür sehe ich zum einen darin, dass das Konzept sowie Unterlagen für die Lehrveranstaltung bereits gut aufbereitet waren da es sich um einen regelmäßigen und verpflichtenden Kurs handelt. Außerdem habe ich bereits als Tutorin Lehrveranstaltungen zum forschenden Lernen unterstützt, weshalb mir die Struktur und die häufig auftretenden Probleme bekannt waren und mich nicht wirklich überrascht haben. Andererseits war es sehr hilfreich, dass gleichzeitig noch weitere erfahrenere Personen den gleichen Kurs gaben, so konnten wir uns über bestimmte Themen austauschen und uns gegenseitig helfen.  

Flaschenpost
  • Sofia Morét
  • Universität Hamburg
  • 2024
  • Das hier vorgestellte Praxisbeispiel richtet sich an Bachelor-Studierende der Politikwissenschaft und Soziologie im zweiten Semester. In ihm durchlaufen die Studierenden einen kompletten Forschungszyklus und arbeiten mit Praxispartner:innen und Tutor:innen zusammen.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Morét, Sofia (2024). Sozialwissenschaftliche Methoden und Praxiskooperationen im forschenden Lernen realisieren. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • Studieneingangsphase Bachelor (1.-2. Semester) | > 3. Bachelor Semester
  • Politikwissenschaften