Umfeld

Universität Hamburg

Geschichtswissenschaften, Erziehungswissenschaften, Politikwissenschaften

Bachelor- & Master-Studierende

Durchführung: einmal

5-10 CP abhängig vom Fach und Prüfungsordnung

Anzahl der Studierenden: 12

In welchem Umfeld habe ich mein Angebot zum forschenden Lernen umgesetzt?

Meine Lehrveranstaltung zum forschenden Lernen fand in den Geschichtswissenschaften im Arbeitsfeld Public History der Universität Hamburg statt. Es handelte sich um ein offenes Seminar, das sowohl von Bachelor- als auch von Masterstudierenden der Geschichtswissenschaft und verwandter Fächer (z. B. Politikwissenschaft, Erziehungswissenschaft oder Lehramt) besucht werden konnte. Je nach Prüfungsform konnte es als Wahl- oder als Pflichtmodul belegt werden. Um den unterschiedlichen formalen Anforderungen gerecht zu werden, zeichnete sich die Lehrveranstaltung daher auch durch unterschiedliche Arbeitsformate aus: Es gab sowohl Gruppenarbeitsphasen als auch Einzelarbeitsphasen.
Inhaltlich beschäftigte sich das Seminar mit der Lokalgeschichte bzw. den Lokalgeschichten des Hamburger Stadtteils Bahrenfeld. Die Idee zu dieser inhaltlichen Ausrichtung kam mir, weil Bahrenfeld als neuer Standort der Universität Hamburg ausgewählt wurde und ich es für wichtig halte, dass man sich in diesem Zuge auch mit der Geschichte des Stadtteils auseinandersetzt und die Zivilgesellschaft einbezieht. In diesem Zusammenhang habe ich über den Transferfonds der Universität Hamburg Gelder für ein Forschungsprojekt beantragt, in dessen Rahmen auch dieses Projektseminar stattfand. Eine Besonderheit der Lehrveranstaltung war, dass ich durch die finanzielle Unterstützung des Transferfonds eine studentische Hilfskraft einstellen konnte. Sie unterstützte mich bei der Planung und Durchführung des Seminars, indem sie z. B. Rechercheaufgaben oder Terminkoordinationen mit zivilgesellschaftlichen Institutionen übernahm.

Umfeld

Grund

Persönliches professionelles Anliegen

Impuls aus meinem Umfeld

Was war der Grund dafür, dass ich mich für das forschende Lernen entschieden habe?

Grundsätzlich denke ich, dass das forschende Lernen in der Geschichtswissenschaft eine lange Tradition hat und sozusagen in der disziplinären Tradition verankert ist (Weitere Informationen dazu in unserem Podcast). Ein weiterer persönlicher Grund für mich, forschendes Lernen im Seminar Lokalgeschichte(n) in Bahrenfeld zu praktizieren, war, dass dieses didaktische Prinzip Studierenden zeigt, was sie mit einem Geschichtsstudium außerhalb der akademischen Welt anfangen können und inwiefern unsere Forschung in die Zivilgesellschaft hineinwirken kann. Darüber hinaus konnten Studierende in dieser Lehrveranstaltung an konkreten Untersuchungsgegenständen und Projekten exemplarisch lernen, wie geschichtswissenschaftliche Forschung aussieht und umgesetzt werden kann. Ich halte diese Art des Lernens für sinnvoller, weil sie tiefer geht und anwendbarer ist als oberflächliches enzyklopädisches Wissen.

Umfeld

Umsetzung

Ein Semester lang

In ein Modul eingebettet

Curricular verankert & freiwillig

Forschungsprozess: von Lehrenden bei Bedarf unterstützt

Feedback: Peers & Lehrende

Forschungsergebnisse: intern

Wie ist mein Lehrangebot zum forschenden Lernen genau beschaffen?

Das Projektseminar begann mit einer Recherchephase, in der unsere studentische Mitarbeiterin und ich zunächst drei Themenfelder identifizierten, die sich als Forschungsgrundlage eignen würden. Diese waren erstens Sportanlagen in Bahrenfeld, zweitens der Bahrenfelder Marktplatz und drittens Industriestandorte in Bahrenfeld. In der ersten Sitzung des Projektseminars haben wir den Studierenden diese drei Themen als mögliche Forschungsschwerpunkte vorgestellt. Gleichzeitig habe ich darauf hingewiesen, dass auch andere Themen von den Studierenden eingebracht werden können. Die Studierenden entschieden sich jedoch gegen weitere Themen und bildeten drei Gruppen zu den verschiedenen Schwerpunkten.
Anschließend begannen die einzelnen Gruppen mit der Bearbeitung ihres gewählten Forschungsthemas. Dabei hatten sie zum einen die Aufgabe, sich als Gruppe in das Thema einzuarbeiten und gemeinsam zu recherchieren und zum anderen ein Unterthema zu finden, das sie als individuelle Leistung untersuchen würden.
Neben dem selbstständigen Durchlaufen der einzelnen Forschungsschritte wurde der Forschungsprozess durch verschiedene Werkstatttreffen und Sprechstunden begleitet. In den gemeinsamen Präsenzterminen trafen wir uns, um den aktuellen Forschungsstand zu besprechen, mögliche Fragestellungen oder Methoden zu diskutieren und so Momente des Austausches und Feedbacks zu schaffen. Darüber hinaus präsentierten alle Gruppen- und Einzelprojekte in diesen Zeiträumen zweimal ihre Zwischenstände. Zu einigen dieser Treffen lud ich auch das Schreibzentrum der Universität Hamburg ein. Die Mitarbeiterin des Schreibzentrums gab den Studierenden Inputs, half bei der Entwicklung einer gemeinsamen Einleitung zu den verschiedenen Gruppenthemen und zeigte den Studierenden, wie sie passende Abstracts zu ihren individuellen Themen schreiben können. Durch diese Unterstützung gelang es den Studierenden, ihr Gruppenthema mit ihren individuellen Projekten zu verknüpfen und eine erste Vorstellung davon zu bekommen, wie ein wissenschaftlicher Publikationsprozess (z. B. in einem Sammelband) aussehen kann. Am Ende der Vorlesungszeit hatten alle Gruppen einen einleitenden Text zu ihrem Schwerpunktthema verfasst und jedes Gruppenmitglied ein Abstract zu dem individuellen Forschungsprojekt formuliert. Auf dieser Grundlage begannen die Studierenden dann mit dem Verfassen ihrer eigenen Hausarbeit, die als formale Prüfungsleistung zählt.
Zusätzlich zu den Werkstattterminen bot ich ein kuratiertes Begleitprogramm an, in dem wir z. B. wichtige Institutionen und öffentliche Orte in Bahrenfeld wie das Stadtteilarchiv Ottensen besuchten oder Texte zu Theorie und Methodik der Geschichtswissenschaft diskutierten. Auf diese Weise fand eine fachliche Verortung und Reflexion statt, in der die Studierenden lernten, ihr Projekt in einen größeren Kontext zu stellen und eigene geschichtswissenschaftliche Interessenschwerpunkte zu identifizieren

Umfeld

Spannungen

Veranstaltungsplanung und Anpassung infolge der Dynamik beim forschenden Lernen

Arbeitsaufwand und dem formal berechneten Zeitaufwand für Studierende

Arbeitsvolumen und verfügbaren Ressourcen bei Lehrenden

Welche Spannungen ergeben sich beim forschenden Lernen?

Sowohl bei den Studierenden als auch bei mir zeigte sich ein großes Spannungsfeld zwischen dem hohen Arbeitsaufwand und der positiven Lern- und Lehrerfahrung. So spiegelten mir viele Studierende in Feedbackrunden zurück, dass das Seminar zwar sehr viel Arbeit ist, sie aber viel gelernt haben und es ihnen viel Spaß gemacht hat. Das Problem mit dem Arbeitsaufwand ist hier nicht, dass er den formal berechneten Zeitaufwand übersteigt, sondern dass die Studierenden aus anderen Seminarerfahrungen nicht gewohnt sind, so viel für ein Seminar zu tun bzw. dass sie nicht Vollzeit studieren können und der berechnete Zeitaufwand deswegen grundsätzlich unrealistisch ist. Dieses Spannungsfeld versuchte ich einerseits dadurch aufzulösen, dass ich in der ersten Stunde einen sehr detaillierten Semesterplan vorlegte, damit die Studierenden eine genaue Vorstellung davon bekommen, wie hoch der Arbeitsaufwand in diesem Seminar sein würde. Zeitökonomisch denkende Studierende hatten dann die Möglichkeit, sich gleich in der ersten Sitzung gegen das Seminar zu entscheiden, und Studierende, die sich für das Seminar entschieden, wussten von Anfang an, worauf sie sich einlassen. Andererseits wirkte sich die gute und vertraute Arbeitsatmosphäre im Seminar positiv auf die Studierenden und mich aus, wodurch beide Seiten eher bereit waren, den Mehraufwand in Kauf zu nehmen.
Als Lehrender begegnete ich dem hohen Arbeitsvolumen, indem ich mir zunächst einmal bewusst machte, dass ich in meiner Stelle formal ziemlich viel Zeit für die Lehre habe und wenn ich mir diese Zeit blocke, schon einiges machen kann. Darüber hinaus war ein straffes Zeitmanagement relativ wichtig und die Akzeptanz, dass man in manchen Phasen einfach etwas mehr machen muss. In anstrengenden Arbeitsphasen half es mir außerdem enorm, die Entwicklung der Studierenden und ihre Begeisterung für das Seminar zu sehen, wodurch ich den Mehraufwand meinerseits dann besser aushalten konnte. Dennoch ist es auch wichtig bei der Planung so welcher Veranstaltungen, in sich zu gehen und bei zu hoher Belastung oder zu vielen anderen Aufgaben zu entscheiden, das Seminar ausfallen zu lassen oder ggf. um ein Semester zu verschieben. Eine weitere Möglichkeit, die mich persönlich in diesem Seminar sehr entlastet hat, war, auf die Suche nach Drittmitteln zu gehen, über die man dann, wie in meinem Fall, eine studentische Mitarbeiterin einstellen konnte.

Umfeld

Wirkung

Entwicklung und Ausleben von forschender Neugier

Erwerb von methodischen Kenntnissen

Erkennen von Zusammenhängen zwischen Studium und Beruf

Interdisziplinäres Arbeiten

Welchen Einfluss entfaltet mein Angebot zum forschenden Lernen?

Während des Seminars konnte ich drei zentrale Effekte feststellen. Erstens haben die Studierenden im Forschungsprozess eine Vorstellung davon bekommen, welche Art von geschichtswissenschaftlicher Forschung und welche Themen sie eigentlich interessieren. Dabei war gerade die Diversität der Studierenden ein großer Vorteil, da sie sich gegenseitig beraten und auch auf methodischer Ebene Erfahrungen austauschen konnten. Damit hat das Seminar einen Teil zu der Antwort beigetragen, welche Art von Historiker:innen die Studierenden sein möchten und inwiefern sie sich mit dem Fach der Geschichtswissenschaft identifizieren.
Der zweite Effekt war, dass die Studierenden durch die Erforschung der lokalen Geschichte in Bahrenfeld die gesellschaftliche Bedeutung der Geschichtswissenschaften am eigenen Projekt erfahren haben. So wurde ihnen durch die Gespräche mit der Zivilgesellschaft in Bahrenfeld deutlich, wie man als angehende Historiker:in einen spezifischen Beitrag leisten kann, der die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns unterstreicht und dazu führt, dass die Studierenden Selbstwirksamkeit erfahren.
Der dritte Effekt spiegelt sich in den Ergebnissen und Texten wider: Die während des Forschungsprozesses entstandenen Produkte zeigen den Studierenden, wie sie ihre Forschung präsentieren und auch an Dritte weitergeben können. In diesem Zusammenhang hat es mich besonders gefreut, dass die Studierenden schon während des Seminars gesagt haben, dass sie gerne die Ergebnisse und Hausarbeiten der anderen sehen würden und dass sie sich ein weiteres Treffen wünschen oder auch Lust hätten, ihre Ergebnisse der Zivilgesellschaft in Bahrenfeld vorzustellen.
Für mich als Lehrender stelle ich außerdem fest, dass mir Veranstaltungen, die nach dem Prinzip des forschenden Lernens aufgebaut sind, viel mehr Spaß machen als andere Formate. So motiviert mich einerseits das Engagement und Interesse der Studierenden, andererseits lerne ich neue Felder und Aspekte der Geschichtswissenschaft kennen. Darüber hinaus hilft mir der Austausch mit den Studierenden und der Zivilgesellschaft, meine Rolle als Historiker und als Lehrender zu reflektieren und immer wieder neu zu überdenken.

Vertiefende Informationen zum Praxisbeispiel finden Sie in unserem Podcast. Als weiterführende Literatur zum forschenden Lernen in den Geschichtswissenschaften können folgende Bücher empfohlen werden:

Universitäre Projekte im Fach Geschichte lehren

Geschichtswissenschaft im 21. Jahrhundert

Doktorandenbildung neu gestalten

Flaschenpost
  • Prof. Dr. Thorsten Logge
  • Universität Hamburg
  • 2024
  • Die hier vorgestellte Veranstaltung ist in der Geschichtswissenschaft der Universität Hamburg angesiedelt und hat den inhaltlichen Schwerpunkt auf die Lokalgeschichte Bahrenfelds gelegt. Es illustriert, wie sich Studierende mit Industriestandorten, Sportstätten und dem Marktplatz in Bahrenfeld wissenschaftlich auseinandersetzen.

  • Fallbeispiel oder Praxisbericht (z.B. Projektbeschreibung)
  • Flaschenpost
  • Text/Textdokument
  • Video
  • Deutsch
  • CC BY SA (unsere Empfehlung: Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen)
  • Logge, Thorsten (2024). Forschendes Lernen über Lokalgeschichte(n) in Bahrenfeld. Insel der Forschung: Beispiele & Good Practices.
  • übergreifend
  • Geschichtswissenschaften, Public History